Operation oder konservative Behandlung – vor dieser Entscheidung stehen Patienten nach der Diagnose Kreuzbandriss. Unterschiedliche Faktoren helfen hier bei der Entscheidungsfindung. Unter anderem auch, ob es sich beim Patienten um einen Coper oder einen Non-Coper handelt.
Inhalt
Kreuzbandriss operieren oder nicht?
Eine Verletzung des vorderen Kreuzbandes hat potenziell schädliche Auswirkungen auf die Muskelfunktion, Kinematik, Stabilität und Propriozeption im Knie.
Eine Operation ist daher die Standardtherapie bei einem Kreuzbandriss.
Begründet wird dieses Vorgehen mit der Annahme, dass die Rückkehr zum Sport nach einer Kreuzband-OP wahrscheinlicher ist. Es besteht zudem die Vermutung, dass die Wiederaufnahme von high-impact Sportarten mit Sprüngen, Drehungen und schnellen Wendungen ohne eine Kreuzbandrekonstruktion unweigerlich zu einer Knieinstabilität führt.
Es wird außerdem angenommen, dass anhaltend hohe sportliche Anforderungen nach einer VKB-Ruptur zu sekundären Schäden an Menisken und Gelenkknorpel sowie einer degenerativen Arthritis führen. Eindeutig nachgewiesen wurde das aber bisher nicht.
Für die meisten Patienten ist hingegen die Rückkehr zum alten Leistungsniveau und die Wiederherstellung der Kniestabilität die primäre Indikation für eine operative Rekonstruktion.
Studienergebnisse sind nicht eindeutig
Jedoch haben nur wenige Studien gezeigt, dass eine Kreuzband-OP die dynamische Kniestabilität tatsächlich wiederherstellt oder die vollständige Rückkehr zum alten Leistungsniveau (vor der Verletzung) ermöglicht.
In Fachkreisen wird deshalb noch immer diskutiert, welche Therapie den besseren Erfolg bringt. Einige Studien geben so zum Beispiel an, dass die nicht-operative Behandlung ein schlechteres Ergebnis liefert. Andere Studien sehen hingegen keinen Unterschied zwischen operativ und konservativ im Follow-up.
Eine Untersuchung von Krause et al.[1]Krause M, Freudenthaler F, Frosch KH, Achtnich A, Petersen W, Akoto R. Operative Versus Conservative Treatment of Anterior Cruciate Ligament Rupture. Dtsch Arztebl Int. 2018;115(51-52):855-862. … Continue reading zeigte außerdem, dass die operative Therapie der konservativen Kreuzbandriss-Behandlung nicht definitiv überlegen ist. Es ist lediglich der Trend zu beobachten, dass die operative Rekonstruktion ein besseres funktionelles Ergebnis liefert als die konservative Therapie.
Solltest du einen Kreuzbandriss also operieren lassen oder nicht?
Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Denn eine definitive Aussage, dass eine Kreuzband-OP besser als die konservative Behandlung ist (und umgekehrt) gibt es nicht.
Letztlich kommt es immer auf deine individuellen Voraussetzungen an und welche Anforderungen du zukünftig an dein Knie stellst.
Grundsätzlich stellt weder eine akute noch eine chronische VKB-Verletzung eine dringende OP-Indikation dar. Du hast also etwas Zeit, um mit deinem Arzt die richtige Therapie für dich zu besprechen.
Zu lange solltest du aber nicht warten, da du nach 3-4 Wochen keine kreuzbanderhaltende Operation mit einer internen Schienung mehr durchführen kannst. Nach dieser Zeit verschlechtert sich das Heilungspotenzial des gerissenen Kreuzbandes, so dass dieses sehr wahrscheinlich nicht mehr zusammenheilen kann.
Rule of thirds als Entscheidungshilfe
Eine Entscheidungshilfe bei der Therapie ist die “rule of thirds“. Bei dieser werden Patienten in Coper, Adapter und Non-Coper unterteilt.
Coper
Während der Großteil der Patienten ohne Kreuzband keine dynamische Kniestabilität besitzt, scheinen einige die Fähigkeit zu haben, ihr Knie auch bei Sportarten mit Drehbewegungen, Sprüngen oder schnellen Richtungswechseln stabilisieren zu können.
Diese werden als Coper bezeichnet.
Dabei handelt es sich um Patienten, die auch ohne vorderes Kreuzband zu ihrem alten Leistungsniveau zurückkehren können, da sie keine subjektive Instabilität haben.
Für Coper ist eine konservative Therapie möglich, da sie den Verlust des Kreuzbandes kompensieren können. Das heißt, sie sind in der Lage, Sportarten auszuüben, die Sprünge, Drehungen oder schnelle Stopps beinhalten.
Sie haben jedoch eine erhöhte Gefahr für sekundäre Begleitverletzungen.
Adapter
Die zweite Gruppe sind die sogenannten Adapter. Sie passen ihre Aktivitäten an ihre Verletzung an, so dass keine Instabilitätsepisoden entstehen.
Das heißt, sie betreiben kniebelastende Sportarten wie Fußball oder Skifahren nicht mehr auf ihrem ursprünglichen Niveau, sondern steigen auf andere Aktivitäten um. Dadurch soll eine mögliche Instabilität vermieden werden.
Auch sie können wie Coper konservativ behandelt werden und haben ein vergleichbares Risiko von Begleitverletzungen.
Non-Coper
Bei der dritten Gruppe handelt es sich um die sogenannten Non-Coper.
Diese Patienten verspüren eine Instabilität beziehungsweise ein Nachgeben des Knies (giving way) und können daher nicht zum ursprünglichen Sportniveau zurückkehren.
Ihnen wird zur Operation geraten, da sie den Verlust des Kreuzbandes nicht kompensieren können.
So lassen sich Coper von Non-Copern unterscheiden
Ob jemand ein Coper oder ein Non-Coper ist, hat nichts damit zu tun, ob die Person wieder fit nach Kreuzbandriss werden will oder nicht.
Es gibt objektive Erkenntnisse, warum Non-Coper keine normalen Knieaktivitäten ausführen können. Ihre Quadrizepsmuskulatur ist zu schwach und sie haben eine verminderte Kontrolle über diese Muskeln.
Non-Coper zeigen darüber hinaus eine verstärkte Versteifung des verletzten Beines. Im Vergleich zum kontralateralen Bein bewegen sie ihr Bein weniger und verspannen sich mehr (höhere Muskelkokontraktion).
Es existieren zudem verschiedene Tests, um Coper zu identifizieren:
- 4 Hop-Tests (Sprungtests): Single-Leg Hop auf Distanz, Single-Leg-Triple-Hop, Single-Leg-Triple-Cross-Over-Hop und der 6-m-Timed-Hop-Test
- Auftreten eines Giving-way
- Knee outcome survey (KOS-ADLS)
- Bewertung der Kniefunktion durch Selbstauskunft des Patienten
Coper zeigen in der Regel folgende Eigenschaften:
- Keine Begleitverletzungen (es handelt sich um eine isolierte VKB-Ruptur)
- Das Ergebnis aller Hop Tests liegt bei mindestens 80 % in Bezug auf die Symmetrie der Gliedmaßen
- > 80 % auf der KOS-ADLS
- > 60 bei der Selbstauskunft
- ≤ 1 bei der subjektiven Auskunft über das Giving-way (Nachgeben des Knies)
Erfüllt ein Patient diese Kriterien nicht, wird er als Non-Coper eingestuft und die Operation wird als bevorzugte Therapie empfohlen.
Können Non-Coper zu Copern werden?
Aktuell werden die meisten Non-Coper operiert, ohne zu prüfen, ob sie zu Copern werden können.
Untersuchungen zeigten jedoch, dass Non-Coper, die ein gezieltes neuromuskuläres Training (NMST) zusätzlich zur konservativen Kreuzband-Reha erhalten haben, bessere Ergebnisse erzielen konnten als Probanden mit einem Standardprogramm. Auch ist die Wahrscheinlichkeit einer Rückkehr zum ursprünglichen Leistungsniveau dadurch höher.
Allerdings ist nicht klar, wie lang die positiven Veränderungen durch ein gezieltes neuromuskuläres Training andauern und ob Non-Coper somit langfristig zu Copern werden können.
Dennoch zeigen die Studien, dass das Training Einfluss auf den Erfolg der Rehabilitation und Prävention von Kreuzbandrissen hat.
Am Ende entscheidest du
Die Studienlage ist teilweise nicht eindeutig und es fehlen aussagekräftige Langzeitergebnisse, wenn es um die richtige Kreuzband-Behandlung geht.
Prinzipiell ist das Risiko sekundärer Schäden nach einem Kreuzbandriss erhöht – unabhängig davon, ob du dich für eine OP oder für die konservative Therapie entscheidest.
Eine Kreuzbandriss Operation hat tendenziell das bessere Langzeitergebnis, weil die mechanische Stabilität des Bandes wiederhergestellt wird. Es gibt aber auch Patienten, die wunderbar ohne vorderes Kreuzband zurechtkommen. Das sind dann sehr wahrscheinlich Coper.
Das macht die Entscheidung am Ende nicht einfacher. Schließlich kannst du auch nicht einfach in die Zukunft schauen und sehen, welche Therapie die beste für dich ist.
Ich finde aber, dass das subjektive Empfinden hier schon eine gute Indikation ist.
Wenn du selbst merkst, dass dein Knie instabil ist und immer wieder nachgibt, dann macht eine Operation womöglich mehr Sinn. Vor allem dann, wenn du eigentlich gut trainiert bist.
Hast du hingegen keine Instabilitätsepisoden und kannst deinem Sport wieder nachgehen, ist die konservative Behandlung sicherlich eine Option für dich.
Am Ende entscheidest aber du mit deinem Arzt, ob du deinen Kreuzbandriss operieren oder konservativ behandeln lassen willst. Die rule of thirds ist dabei letztlich nur eine praktische Entscheidungshilfe.
Lesetipp, falls du noch unsicher bist: Kreuzbandriss operieren oder nicht: Hilfe bei der Entscheidungsfindung.
Grundlage für diesen Beitrag ist die Studie Identifying Individuals With an Anterior Cruciate Ligament-Deficient Knee as Coper and Noncopers: A Narrative Literature Review von Yonatan Kaplan.
Quellen und weiterführende Links[+]
↑1 | Krause M, Freudenthaler F, Frosch KH, Achtnich A, Petersen W, Akoto R. Operative Versus Conservative Treatment of Anterior Cruciate Ligament Rupture. Dtsch Arztebl Int. 2018;115(51-52):855-862. doi:10.3238/arztebl.2018.0855 |
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