Komplikationen nach der Kreuzband-OP kommen häufiger vor als man denkt. Eine davon ist die Arthrofibrose. Untersuchungen gehen davon aus, dass zwischen 1 und 13 Prozent der Patienten nach operativen Eingriffen von der Narbenbildung im Kniegelenk betroffen sind. Das macht sie zu eine der häufigsten Komplikationen nach einer Kreuzband-OP.
Eine Arthrofibrose kann unangenehme Schmerzen verursachen und die Beweglichkeit des Knies einschränken – eine Entwicklung, die die Reha nach Kreuzbandriss in die Länge zieht. Umso wichtiger ist deshalb, dass du gemeinsam mit deinem Arzt und deinem Physiotherapeuten die richtige Behandlung wählst, wenn du die Diagnose Arthrofibrose bekommst.
Inhalt
Was ist Arthrofibrose?
Nach einer Verletzung oder Operation beginnt dein Körper mit einem natürlichen Heilungsprozess. Dabei kommt es zu einer Vermehrung von Bindegewebszellen, den sogenannten Fibroblasten. Dieser Vorgang ist essenziell, um das beschädigte Gewebe im Knie zu reparieren. Manchmal produziert der Körper jedoch zu viel Narbengewebe in diesem Heilungsprozess. Dieser Zustand, bekannt als Arthrofibrose, führt dazu, dass das Knie steifer wird und sich nicht mehr so frei bewegen lässt, wie es sollte.
Es ist ein wenig so, als ob der Körper zu eifrig versucht, die Verletzung zu „überheilen“, was dazu führt, dass zu viel faseriges Gewebe entsteht. Das Resultat ist eine Bewegungseinschränkung, die sowohl schmerzhaft als auch frustrierend sein kann. In der nachfolgenden Grafik findest du dieses Prinzip sehr vereinfacht dargestellt:
Nicht immer spricht man bei einer Bewegungseinschränkung direkt von einer Arthrofibrose. Denn es gibt klare Anzeichen: Kannst du dein Knie etwa drei Monate nach der Operation weniger als 120 Grad beugen oder nicht ganz strecken (mehr als 5 Grad Extensionsdefizit), liegt wahrscheinlich eine Arthrofibrose vor.
Warum tritt sie auf?
Aber warum produziert der Körper überhaupt so viel Narbengewebe? Die Antwort ist nicht ganz einfach, da jeder Körper einzigartig auf Verletzungen reagiert. Grundsätzlich ist die Narbenbildung ein Teil des natürlichen Heilungsprozesses. Sie hilft, das verletzte Gewebe zu reparieren. Doch in manchen Fällen, kann dieser Prozess überbordend werden.
Mechanischer Stress spielt dabei eine bedeutende Rolle. Studien haben gezeigt, dass Fibroblasten auf diesen reagieren. Diese Stressreaktion führt zur Aktivierung der Fibroblasten, die ihre Vermehrung und die Produktion von zusätzlichem Bindegewebe intensivieren. Gleichzeitig verhindert der mechanische Stress den natürlichen Zelltod, auch Apoptose genannt, was zu einer weiteren Zunahme der Zell- und Bindegewebsproduktion führt.
Forschungen haben außerdem gezeigt, dass auch emotionaler Stress direkt die Aktivität und das Verhalten von Fibroblasten beeinflussen kann. Diese Erkenntnis stützt sich auf Studien, in denen beobachtet wurde, dass die Freisetzung von Stresshormonen eine deutliche Vermehrung der Fibroblasten bewirken. Dadurch wird die übermäßige Bildung von Bindegewebe gefördert, ähnlich wie beim mechanischen Stress.[1]Traut, P. and Rückert, U. ‚Update Arthrofibrose‘, physiopraxis. doi: 10.1055/a-1028-3707. https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/pdf/10.1055/a-1028-3707.pdf
Es ist wichtig zu verstehen, dass Arthrofibrose nicht einfach „passiert“. Sie lässt sich in der Regel auch nicht auf eine einzelne Ursache zurückführen. Vielmehr ist oft ein komplexes Zusammenspiel mehrerer Faktoren, die zu dieser postoperativen Komplikation führen.
Dabei können diese Faktoren ebenso eine Rolle bei der Entstehung einer Arthrofibrose spielen:
- Genetische Veranlagung
- Komplikationen bei der Operation
- Unzureichende oder zu aggressive Nachsorge und Rehabilitation
- Vorbestehende Erkrankungen (z.B. Rheuma oder Diabetes)
So zeigt sich eine Arthrofibrose
Bei einer Arthrofibrose gibt es eine Reihe charakteristischer Symptome. Diese äußern sich vor allem als eingeschränkte Bewegungsfähigkeit und Schmerzen im betroffenen Gelenk. Allerdings ist jeder Patient individuell. Dementsprechend können die Symptome variieren und es muss nicht jedes zwingend auftreten.
Die häufigsten Symptome sind:
- Bewegungseinschränkung: Der markanteste Hinweis auf eine Arthrofibrose ist die eingeschränkte Bewegungsfähigkeit des betroffenen Gelenks. Dies kann sich darin äußern, dass du Schwierigkeiten bei alltäglichen Bewegungen hast, weil dir das volle Bewegungsausmaß im Knie fehlt. Eine eingeschränkte Beweglichkeit kann sogar zunehmen, wenn die Arthrofibrose fortschreitet und nicht frühzeitig behandelt wird.
- Schmerzen: Schmerzen sind ein weiteres häufiges, aber nicht immer präsentes, Symptom der Arthrofibrose. Sie können spontan auftreten oder durch bestimmte Bewegungen ausgelöst werden, wobei die Schmerzintensität von leichtem Unbehagen bis hin zu starken, lähmenden Schmerzen reichen kann.
- Schwellung und/oder Rötung: Diese entstehen typischerweise durch eine Entzündungsreaktion in und um das betroffene Gelenk, die durch die Arthrofibrose verursacht wird. Sie können auch mit Wärmegefühl einhergehen.
- Gelenksteifigkeit: Eine anhaltende Steifigkeit im betroffenen Gelenk, insbesondere nach einer Ruhephase oder am Morgen, kann ein weiteres Indiz für die krankhafte Narbenbildung sein.
- Muskelatrophie: Im späten Stadium kann es zur Muskelatrophie kommen, also einer Abnahme der Muskelmasse durch Bewegungsmangel. Das liegt daran, dass das Bein durch die Schmerzen und die Bewegungseinschränkung weniger belastet wird.
Konservative Therapiemöglichkeiten bei Arthrofibrose
Für die Behandlung einer bestehenden Arthrofibrose gibt es verschiedene Möglichkeiten. Zunächst sollte eine konservative Behandlung im Vordergrund stehen.
Der Arzt kann dir Medikamente verschreiben, um den Entzündungsprozess zu hemmen und somit der Narbenbildung entgegenzuwirken. Häufig kommen sogenannte nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) zum Einsatz, die sowohl schmerzlindernd als auch entzündungshemmend wirken.
Ganz zentral bei der konservativen Therapie ist aber die Physiotherapie. Maßnahmen sind zum Beispiel:
- Lymphdrainage dient dazu, eine Schwellung zu verringern, indem sie den Abfluss von Lymphflüssigkeit aus den betroffenen Geweben anregt. Sie wird oft in Kombination mit anderen Methoden verwendet, um den Heilungsprozess zu fördern.
- Das Ziel der Medizinischen Trainingstherapie ist es, Bewegungsfunktionen wiederherzustellen oder zu verbessern, dies kann auch die Stärkung und Konditionierung der umgebenden Muskulatur beinhalten.
- Eine CPM-Motorschiene hält das betroffene Gelenk in einer kontrollierten Position und bewegt es passiv innerhalb eines festgelegten Bewegungsbereichs. Diese kontinuierliche passive Bewegung kann dazu beitragen, das Gelenk beweglich zu halten und die Bildung von Narbengewebe zu minimieren.
- Wassergymnastik bietet Entlastung für die Gelenke, fördert den Lymphabfluss, entspannt die Muskulatur und macht das Gewebe elastisch.
- Basische Fußbäder dienen der lokalen Entschlackung des Körpers über die Fußsohlen. Ziel ist es, den Säure-Basen-Haushalt auszugleichen, mit Betonung auf viel Flüssigkeitsaufnahme nach dem Bad zur Unterstützung der Ausscheidung saurer Abbauprodukte.
- Fußreflexzonenmassagen sind eine beruhigende Maßnahme und unterstützen die Effekte des basischen Bads. Kann Stoffwechselsituationen und Schmerzzustände positiv beeinflussen.
- Die Bindegewebsmassage ist ein Ansatz zur Beeinflussung des vegetativen Nervensystems. Sie kann je nach Technik den Parasympathikus oder Sympathikus anregen, um Entspannung oder Leistungsbereitschaft zu fördern.
- Bei der Mikrostromtherapie werden extrem schwache elektrische Ströme zur Schmerzlinderung und Anregung von Heilungsprozessen angewendet.
- Entspannungstechniken wie Autogenes Training, Achtsamkeitstraining, therapeutisches Yoga, und Qi Gong unterstützen die Balancierung des vegetativen Systems und stärken die Selbstheilungskräfte.
Dehnen nicht erwünscht
Bei Arthrofibrose ist besonders Vorsicht bei Dehnübungen geboten. Obwohl es intuitiv erscheint, dass Dehnen helfen könnte, um Beweglichkeit zurückzugewinnen, ist bei Arthrofibrose genau das Gegenteil der Fall.
Denn forciertes Dehnen kann hier kontraproduktiv wirken, da es bei der Arthrofibrose nicht um verkürzte Muskulatur, sondern um eine Pathologie des Bindegewebes geht. Daher sind passive und aktive Dehnübungen bis zum Schmerzreiz nicht zu empfehlen. Stattdessen sollte der Fokus auf sanften Bewegungstherapien liegen, die Entspannung und Schmerzreduktion fördern, ohne die betroffenen Gelenke übermäßig zu belasten.
Vermeide daher auch jede Behandlungsmethode, die in den Bewegungsschmerz hineinarbeitet, um den Heilungsprozess nicht zu beeinträchtigen.[2]Röhner, E., Mayfarth, A., & Zippelius, T. (2017) ‚Arthrofibrose‘, physiopraxis, 9(17), pp. 34-35. Verfügbar unter: … Continue reading
Wann ist eine operative Therapie notwendig?
In einigen Fällen kann eine chirurgische Intervention notwendig werden, um die Beweglichkeit des Knies zu verbessern und Schmerzen zu reduzieren. Die Entscheidung zur Operation hängt von der Schwere der Arthrofibrose, dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung sowie vom Leidensdruck des Patienten ab.
Eine Operation wird in der Regel in Betracht gezogen, wenn intensive Physiotherapie und medikamentöse Behandlungen über mehrere Monate keine wirkliche Verbesserung der Symptome bewirken. Insbesondere bei Patienten, die eine schlechte Beweglichkeit und anhaltende Schmerzen haben, kann eine chirurgische Korrektur sinnvoll sein.
Eines der gängigen Verfahren zur Behandlung der Arthrofibrose ist die Arthrolyse. Dabei wird das fibrotische Gewebe operativ entfernt, um die Beweglichkeit im Gelenk wiederherzustellen. Bei schweren Fällen kann auch eine offene Operation notwendig sein, um große Mengen von fibrotischem Gewebe zu entnehmen. In jüngster Zeit gewinnt auch die arthroskopische Entfernung von Narbengewebe an Beliebtheit, da sie minimal-invasiv ist und in der Regel eine kürzere Erholungszeit erfordert.
Die Erfolgsraten eines chirurgischen Eingriffs bei Arthrofibrose variieren, wobei viele Patienten eine deutliche Besserung in Bezug auf Schmerz und Beweglichkeit erfahren.
Prävention: Das kannst du tun
Die beste Methode, um Arthrofibrose zu vermeiden, ist die proaktive Prävention. Ein gut durchdachter Behandlungs- und Nachsorgeplan kann nicht nur die überschüssige Narbenbildung reduzieren, sondern auch das Heilungsergebnis optimieren.
Nach der Operation ist es wichtig, dein Knie frühzeitig – im vom Chirurgen festgelegten Rahmen – zu mobilisieren. Diese frühe Bewegung ist der Schlüssel, um die Gelenkfunktion wiederherzustellen und entgegenwirken von Narbenbildung.
Es ist sogar ganz entscheidend, dass du so früh wie möglich mit einer auf dich abgestimmten physiotherapeutischen Behandlung beginnst. Regelmäßige Übungen zur Stärkung und Förderung der Beweglichkeit deines Knies sind essenziell. Eine kontinuierliche Anpassung deines individuellen Übungsprogramms unterstützt deinen Heilungsfortschritt und hilft effektiv, eine überschießende Narbenbildung vorzubeugen.
Aber: Nichts forcieren und starke Schmerzen nicht ignorieren. Gerade in der frühen Rehaphase kann eine zu aggressive Mobilisation Entzündungsreaktionen und damit die Entstehung einer Arthrofibrose begünstigen.
Nimm außerdem die verordneten Medikamente regelmäßig ein, um Schwellungen und Entzündungen zu kontrollieren. Kühltherapien können ebenfalls eine große Hilfe sein, um Entzündungen zu reduzieren und Schmerzen zu lindern.
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Quellen und weiterführende Links[+]
↑1 | Traut, P. and Rückert, U. ‚Update Arthrofibrose‘, physiopraxis. doi: 10.1055/a-1028-3707. https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/pdf/10.1055/a-1028-3707.pdf |
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↑2 | Röhner, E., Mayfarth, A., & Zippelius, T. (2017) ‚Arthrofibrose‘, physiopraxis, 9(17), pp. 34-35. Verfügbar unter: https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/pdf/10.1055/s-0043-110520.pdf |