Die Diagnose Kreuzbandriss bedeutet für Betroffene in der Regel eine aufwendige Knie-OP mit einer langen Reha. Doch immer mehr Patienten stellen sich die Frage, ob man einen Kreuzbandriss konservativ behandeln kann und wie die Erfolgsaussichten dabei sind. Stehst du gerade vor derselben Frage? Dann lies weiter.
Inhalt
- Behandlungsmöglichkeiten bei einem Kreuzbandriss
- Gründe, die gegen eine OP sprechen
- Wann kann man einen Kreuzbandriss konservativ behandeln?
- Wie sieht eine konservative Kreuzbandriss-Behandlung aus?
- Erfolgsaussichten einer konservativen Kreuzbandriss-Behandlung
- Kann man einen Kreuzbandriss ohne OP heilen?
- Kreuzbandriss konservativ behandeln: Ja oder nein?
Behandlungsmöglichkeiten bei einem Kreuzbandriss
Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten einer Kreuzbandriss-Behandlung. Das ist zum einen die operative Therapie. Hier wird zwischen Kreuzbanderhalt und Kreuzbandersatz, bei der eine körpereigene Sehen entnommen und als Kreuzbandersatz transplantiert wird, unterschieden. Zum anderen kannst du einen Kreuzbandriss auch konservativ behandeln.
In der Regel ist eine Operation die Standardtherapie bei einem Kreuzbandriss. Am Ende entscheidest du aber selbst, ob du die operative oder die konservative Behandlung bevorzugst. Schließlich gibt es für beide Seiten Vor- und Nachteile.
Gründe, die gegen eine OP sprechen
Ein wichtiges Argument gegen eine Kreuzband-OP ist die Operation selbst. Denn eine Operation des vorderen Kreuzbandes ist ein schwerer und komplexer Eingriff. Und auch wenn es sich bei der Kreuzband-OP mittlerweile um einen Routineeingriff handelt, den erfahrene Kniechirurgen nahezu täglich durchführen, bedeutet er vor allem für deinen Körper eine enorme Belastung.
Dabei geht es nicht nur um dein Knie und die Wundheilung, sondern auch um die Narkose. Denn eine Kreuzband-OP wird für gewöhnlich unter Vollnarkose durchgeführt. Von dieser muss sich dein Organismus danach erst einmal wieder erholen.
Hast du sehr große Angst vor Narkose oder Operation, kann eine konservative Kreuzbandriss-Therapie die erste Option sein, sofern die anderen Faktoren günstig sind.
Ein weiteres Argument gegen eine Operation ist die längere Reha-Dauer. Mit einer Operation fällst du erst einmal einige Wochen aus, in denen du dein Knie schonen und auf Krücken gehen musst. Dadurch bauen sich die Muskeln in deinem Bein ab, die du später wieder mühsam auftrainieren musst.
Es kann allerdings sein, dass du auch bei einer konservativen Therapie zunächst auf Krücken angewiesen bist und dadurch Muskelmasse abbaust. Krücken allein sollten für dich daher kein Grund gegen eine OP sein.
Auch die Narben am Knie können ein Grund gegen die Kreuzband-OP sein. Erfahrene Chirurgen sind zwar so geübt, dass sie nur kleine Schnitte brauchen und die Narben am Ende entsprechend klein ausfallen. Bei einer Kreuzbandplastik aus der Patellarsehne hast du allerdings eine Narbe direkt über der Kniescheibe, die dir später Probleme beim Knien bereiten kann.
Bist du darauf angewiesen, weil du zum Beispiel viel auf den Knien arbeitest, ist es in diesem Fall sinnvoller, auf ein anderes Transplantat auszuweichen oder zunächst eine konservative Therapie anzustreben.
Wann kann man einen Kreuzbandriss konservativ behandeln?
Eine konservative Kreuzbandriss-Behandlung kommt nicht für jeden Patienten infrage, sondern es braucht die richtigen Ausgangsvoraussetzungen. Zum einen spielt die Art der Ruptur eine Rolle, zum anderen das Ausmaß der Instabilität.
Eine konservative Therapie wird so zum Beispiel nur Patienten empfohlen, die keine oder nur eine geringe Instabilität aufweisen. Das heißt, die Oberschenkelmuskulatur ist so gut trainiert, dass sie den Verlust des vorderen Kreuzbandes ausgleichen kann.
Kannst du hingegen kaum stehen und dein Bein gibt immer wieder nach (Giving-way), dann ist die Operation wahrscheinlich die bessere Option.
Ganz besonders dann, wenn noch weitere Strukturen wie Menisken, Innen- oder Außenband im Knie verletzt sind, die eine operative Behandlung erfordern. Bei einem isolierten vorderen Kreuzbandriss ist die Ausgangslage hingegen besser und du kannst mit deinem behandelnden Arzt individuell besprechen, welche Therapie für dich besser geeignet ist.
Bei jüngeren und sportlich aktiven Patienten geht die Tendenz klar zur Operation, da diese ihr vorderes Kreuzband benötigen, um die schnellen Bewegungen im Sport sicher durchführen zu können. Für ältere und sportlich wenig aktive Patienten ist hingegen die konservative Behandlung oft die erste Wahl.
Wenn du bereit bist, deine sportlichen Ambitionen herunterzuschrauben oder auf knieschonendere Sportarten umzusteigen, kann die konservative Behandlung eine Option sein.
Auch bei Teilrissen (wenn mindestens 75% des Bandes noch intakt sind) oder einer Ruptur des hinteren Kreuzbandes wird meist die konservative Therapie bevorzugt. Am Ende hängt es aber immer von dir und deinem Arzt ab, welche Behandlung infrage kommt.
Wie sieht eine konservative Kreuzbandriss-Behandlung aus?
Das konservative Therapieschema ist ähnlich zur postoperativen Rehabilitation nach einem Kreuzbandriss. Sie lässt sich in eine akute und eine fortgeschrittene Phase einteilen.
In der akuten Phase geht es darum, die Homöostase (Gleichgewicht) und den Bewegungsumfang (ROM) im Gelenk wiederherzustellen. Diese können zum Beispiel durch Schwellungen auftreten und eine normale Bewegung des Knies verhindern.
In dieser Phase machst du zum Beispiel Übungen wie Wall Slides oder fährst Fahrrad, um die Schwellung zu reduzieren. Daneben geht es in dieser Phase auch um die Schmerzlinderung und die Minimierung der Muskelatrophie.
In der zweiten Phase liegt der Fokus auf dem Training der Hüft- und Oberschenkelmuskulatur. Dabei spielen nicht nur Kraft und Geschwindigkeit eine Rolle, sondern auch die neuromuskuläre Kontrolle. Im Zusammenspiel verbessern sie deine Kniestabilität und sorgen so dafür, dass du nach der Kreuzband-Reha wieder zum Sport zurückkehren kannst.
Voraussetzung, dass du mit dem neuromuskulären Training anfangen kannst, ist ein voller ROM (range of motion), keine Schwellung im Knie und ausreichend Kraft in den unteren Extremitäten. Andernfalls kannst du dieses nicht ordentlich ausführen und steigerst das Risiko von Verletzungen. Hier entscheiden dein Arzt und/oder Physiotherapeut mit Tests, wann du wie weiter machen kannst.
Wichtige Muskeln bei der konservativen Kreuzband-Reha
Hauptfokus bei der konservativen Therapie ist das Training der ischiocruralen Muskulatur. Vor allem die Kräftigung der Hamstrings spielt eine Schlüsselposition bei der konservativen Kreuzbandriss-Behandlung. Als Gegenspieler des VKB sind sie enorm wichtig, um die vordere tibiale Instabilität (d.h. die Schublade, die bei einem Kreuzbandriss entsteht) zu minimieren. Aber auch dem Quadrizeps musst du bei der Reha Beachtung schenken, da diese Muskelgruppe die größten Schäden nach einem Kreuzbandriss erleidet. Denn eine Quadrizepsschwäche verhindert, dass das Knie normal funktioniert. Du solltest also sowohl die vordere als auch die hintere Oberschenkelmuskulatur in dein Training mit einbeziehen.
Erfolgsaussichten einer konservativen Kreuzbandriss-Behandlung
Es ist schwierig, eine verlässliche Aussage in Bezug auf die Erfolgsaussichten einer konservativen Therapie zu machen, da es keine wirklich aussagekräftigen Studien gibt. Das Problem der vorhandenen Studien ist häufig, dass sie keine langfristige Betrachtung liefern und die Zahl der Probanden zu gering ist.
Eine Untersuchung von Krause et al.[1]Krause M, Freudenthaler F, Frosch KH, Achtnich A, Petersen W, Akoto R. Operative Versus Conservative Treatment of Anterior Cruciate Ligament Rupture. Dtsch Arztebl Int. 2018;115(51-52):855-862. … Continue reading kam aber zu dem Ergebnis, dass weder die operative noch die konservative Therapie der jeweils anderen überlegen ist. Es ist allerdings der Trend zu beobachten, dass die Kreuzband-OP ein besseres funktionelles Ergebnis im Vergleich zur konservativen Behandlung hat. Laut Studie scheitert die konservative Therapie bei 17,5 % der Patienten.
Ein definitives Pro und Contra für die operative oder konservative Therapie gibt es also nicht.
Kann man einen Kreuzbandriss ohne OP heilen?
Ob du einen Kreuzbandriss operativ oder konservativ behandeln lässt, hängt von verschiedenen Faktoren ab.
Einen Kreuzbandriss ohne OP heilen kann man allerdings nicht. Denn ein VKB wird nicht mit Blut versorgt wie zum Beispiel die Außenbänder des Knies. Dadurch ist eine eigenständige Heilung (eigentlich) nicht möglich.
Grundsätzlich spricht das aber nicht gegen eine konservative Therapie, sofern die Ausgangsvoraussetzungen günstig sind und die funktionelle Stabilität des Knies gegeben ist. Die mechanische Stabilität lässt sich durch ein gerissenes Kreuzband jedoch nicht wiederherstellen. Bei der konservativen Therapie geht es vielmehr darum, die umliegenden Strukturen so zu stärken, dass sie den Verlust des Kreuzbandes kompensieren.
Dir muss also bewusst sein, dass es auf deine Eigeninitiative ankommt, wenn du deinen Kreuzbandriss konservativ behandeln willst. Das bedeutet lebenslanges Training von Kraft, Ausdauer und neuromuskulärer Kontrolle. Allerdings musst du das auch bei der Operation leisten.
Ob operativ oder konservativ ist also egal – wenn du wieder auf dein altes Niveau zurückkehren willst, musst du bei der Kreuzband-Reha dranbleiben.
Kreuzbandriss konservativ behandeln: Ja oder nein?
Es gibt kein Richtig oder Falsch, wenn es um die passende Kreuzbandriss-Behandlung geht. Vielmehr hängt es von individuellen Faktoren ab. Ich kenne sowohl Menschen mit operativer als auch konservativer Behandlung, die mal mehr oder mal weniger zufrieden mit ihrer jeweiligen Behandlung sind.
Viel hängt auch von deiner eigenen Motivation ab. Wenn du deine Muskulatur nach der Operation nur dürftig trainierst und deshalb keine funktionelle Stabilität im Kniegelenk erreichst, dann ist die konservative Behandlung vielleicht die bessere Wahl. Denn durch die Kreuzband-OP verlierst du zwangsläufig Muskelmasse, was bei der konservativen Therapie nicht der Fall sein muss.
Grundsätzlich ist das Risiko einer Arthrose nach einem Kreuzbandriss sowieso erhöht – und zwar unabhängig von der Behandlungsmethode. Eine Operation ist also auch hier nicht der goldene Weg.
Auf der anderen Seite haben die Kreuzbänder eine wichtige stabilisierende Funktion und ich persönlich würde jedem jungen und sportlich aktiven Menschen zur OP raten. Denn die mechanische Führung des Kniegelenks wird bei Beuge- und Streckbewegungen primär über das vordere und hintere Kreuzband geleistet. Das lässt sich auch mit Training nicht komplett ersetzen.
Quellen und weiterführende Links[+]
↑1 | Krause M, Freudenthaler F, Frosch KH, Achtnich A, Petersen W, Akoto R. Operative Versus Conservative Treatment of Anterior Cruciate Ligament Rupture. Dtsch Arztebl Int. 2018;115(51-52):855-862. doi:10.3238/arztebl.2018.0855 |
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