Kreuzbandriss operieren oder nicht? Diese Fragen stellen sich viele Patienten nach der Diagnose. Denn aufgrund der steigenden Anzahl an Behandlungsmöglichkeiten ist eine Operation bei einem Riss des vorderen Kreuzbandes nicht mehr die einzige Alternative.
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Kreuzbandriss operieren oder nicht: Eine Glaubensfrage
Ob ein Kreuzbandriss operiert werden sollte oder nicht, ist heutzutage schon fast ein Glaubenskrieg in der Medizin. Während die einen eine Operation für zwingend notwendig halten, glauben andere, dass eine konservative Therapie ausreichend ist.
Entsprechend stehen auch Patienten mit der Diagnose Kreuzbandriss vor der Wahl: Soll ich mich sofort operieren lassen, erst nach einigen Wochen oder soll ich zunächst eine konservative Therapie ausprobieren?
In manchen Fällen ist die Entscheidung für oder gegen eine OP relativ leicht zu treffen. Denn die Wahl der richtigen Kreuzbandriss-Behandlung hängt auch davon ab, ob es Begleitverletzungen gibt und ob das vordere oder das hintere Kreuzband betroffen ist.
Während beim hinteren Kreuzband häufig zunächst ein konservativer Therapieansatz verfolgt wird, fällt die Entscheidung bei einer VKB-Ruptur eher auf eine Operation.
Dennoch ist dies keine allgemeingültige Regel, sondern die Entscheidung „Operation – ja oder nein?“ ist immer individuell abhängig.
Unabhängig vom betroffenen Band ist eine Operation meist unumgänglich, wenn weitere Strukturen wie Seitenbänder oder Menisken verletzt sind. Und das ist bei einem Kreuzbandriss eher die Regel als die Ausnahme. Denn ein isolierter Kreuzbandriss tritt bei maximal 20% der Betroffenen auf.
Das passiert bei der konservativen Therapie
Bei der konservativen Therapie wird der Verlust der Kreuzbandfunktion durch die Muskulatur kompensiert. Wichtig dafür ist die physiotherapeutische Behandlung über mehrere Monate hinweg.
Gleichzeitig ist bei der konservativen Therapie Eigeninitiative gefragt. Denn nur durch ein gezieltes Training zum Aufbau der Oberschenkelmuskulatur lässt sich die Instabilität durch den Verlust des Kreuzbands ausgleichen.
Eine konservative Behandlung führt laut einer Untersuchung schwedischer Wissenschaftler zu keinen nennenswerten Nachteilen im Vergleich zu einer Operation. Allerdings ist die Studie nur bedingt aussagekräftig. Zum einen ist sie mit 121 Teilnehmern zu klein, um aussagekräftige Ergebnisse zu liefern. Zum anderen wurden die Probanden nur sechs Monate lang untersucht.
Damit bleiben Fragen zu Langzeitfolgen offen und es ist nicht klar, ob eine konservative Therapie auf lange Sicht ausreichend ist.
Die Studie zeigt allerdings auch, dass andere Strukturen im Knie wie Menisken, Knorpel oder Muskulatur die Aufgaben bei Verlust einer Struktur wie dem vorderen Kreuzband übernehmen können.
3 Dinge, die du bei der Entscheidungsfindung beachten solltest
Tendierst du aktuell eher zu einer konservativen Therapie nach VKB-Ruptur, solltest du dennoch unbedingt diese drei Dinge berücksichtigen.
Körpergewicht drückt auf die Gelenke
Wir werden zwar immer älter und aktiver, dafür aber auch immer dicker. Mit einer Lebenserwartung von über 80 muss ein 20-jähriger Patient das Kniedefizit durch den Kreuzbandriss also mindestens 60 Jahre lang ausgleichen. Mit dem Alter wächst aber häufig auch der Bauchumfang. Das erhöht den Druck auf deine Kniegelenke, die diese Mehrbelastung aushalten müssen.
Muskulatur nimmt im Alter ab
Durch die altersbedingten Abbauprozesse verlieren wir ab 50 kontinuierlich an Muskelmasse. Nicht operierte Patienten müssen den Verlust des Kreuzbandes allerdings muskulär ausgleichen. Die subjektive Instabilität kann also zunehmen und Patienten werden möglicherweise „wackliger auf den Beinen“.
Folgeschäden können entstehen
Der Verlust des vorderen Kreuzbandes greift massiv in die Kinematik und Statik des Kniegelenks ein. Die höhere Krafteinwirkung auf den Schienbeinvorschub kommt es zu einer Mehrbelastung der umgebenden Strukturen. Das führt zu kleinsten degenerativen Veränderungen, die zu Folgeschäden führen.
Die Folgen einer VKB-Insuffizienz
Da langfristige Studien fehlen beziehungsweise oft nur schwer vergleichbar sind, lassen sich die Langzeitfolgen ohne OP nicht pauschal eingrenzen. Folgeverletzungen sind zwar wahrscheinlich, aber nicht definitiv. Du kannst also Glück oder Pech haben, wenn du dich gegen eine Kreuzband-OP entscheidest.
Chronische Instabilität
Viele Ärzte empfehlen eine operative Bandkonstruktion des VKB, weil sie davon ausgehen, dass die chronische Knieinstabilität ohne eine adäquate Versorgung zunimmt. Ohne eine Behandlung kommt es zu einem wiederholten giving way, das langfristig in Sekundärschäden mit weiteren funktionellen Einbußen resultiert.
Denn der Verlust des vorderen Kreuzbandes hat entscheidende biomechanische Konsequenzen.
Die fehlende Gleitbewegung wird nachgeholt, indem die Tibia nach ventral subluxiert (d.h. das Schienbein renkt nach vorne hin unvollständig aus, während die Gelenkflächen teilweise in Berührung bleiben) und dann zurückschnappt. Klinisch äußert sich dieses Phänomen als Pivot-Shift.
Ein Pivot-Shift ist generell ein Anzeichen dafür, dass die Kreuzbandfunktion verloren gegangen ist. Zur Diagnose einer VKB-Ruptur kann ein Arzt also auch den Pivot-Shift testen, um zu sehen, ob ein Kreuzband gerissen ist oder nicht.
Sekundäre Meniskusläsionen
Ohne eine Behandlung weisen bis zu 70% der Patienten sekundäre Meniskusschäden auf. Es besteht also ein eindeutiger Zusammenhang zwischen einer unbehandelten VKB-Ruptur und der Inzidenz sekundärer Meniskusläsionen.
Sekundär bedeutet in diesem Fall, dass die Verletzungen nicht beim eigentlichen Unfall auftreten, sondern erst später aufgrund der fehlenden VKB-Funktion entstehen. Besonders das Pivotieren verursacht dabei frühzeitige degenerative Meniskus- und Knorpelschäden.
Arthrose
Auch das Risiko einer Arthrose steigt bei einer chronischen Instabilität durch das fehlende Kreuzband. Sie treten meist als Folge von Meniskusschäden auf, weil sich die Krafteinwirkung auf den Knorpel durch das ständige Pivotieren des Knies erhöht. Neben der mechanischen Bandinsuffizienz führen zudem auch neuromuskuläre Defizite zu einer erhöhten Belastung der Gelenkoberfläche.
Ein Ja zur Kreuzband-OP?
Während die konservative Therapie nur kompensiert, stellt eine Operation die mechanische VKB-Funktion wieder her. Eine Operation bedeutet deshalb aber nicht automatisch, dass alles wieder beim Alten ist.
Das heißt, du musst auch nach einer Kreuzband-OP damit rechnen, dass dein Knie nicht mehr so belastbar ist wie zuvor.
Objektiv betrachtet kommen Patienten sogar in den meisten Fällen weder mit der operativen noch mit der konservativen Therapie wieder auf ihr altes Leistungsniveau zurück.
Es ist außerdem schwierig, wissenschaftlich eine aussagekräftige Basis zu finden. Denn Langzeitergebnisse liegen bei Studien meistens nicht vor. Und falls doch, dann sind die Operationsmethoden nicht mehr mit den heutigen Möglichkeiten vergleichbar.
Ist eine OP also unnötig?
Es gibt keine Garantie, welche Kreuzbandriss-Behandlung die richtige ist.
Kurzfristig gibt es zumindest keine nennenswerten Unterschiede zwischen konservativer und operativer Therapie.
Bei isolierten VKB-Rupturen sieht die konservative Prognose gut aus und mitunter gibt es sogar das Phänomen einer Spontanheilung. So gibt es zum Beispiel viele Menschen, bei denen nie ein Kreuzbandriss diagnostiziert wurde und die trotzdem gut zurechtkommen.
Persönlich bin ich immer noch der Meinung, dass die Operation für mich die richtige Entscheidung war. Und dies trotz isoliertem Kreuzbandriss und günstigen Voraussetzungen für eine konservative Therapie.
Ein Muss ist eine Operation deshalb aber nicht. Lasse dich unbedingt von deinem behandelnden Arzt über die Möglichkeiten aufklären. Gerade wenn weitere Strukturen verletzt sind, ist eine Operation in der Regel die bessere Option.
Willst du mehr über die Therapiemöglichkeiten erfahren, schau dir meinen Beitrag zur Kreuzbandriss-Behandlung an.