Viele Patienten fokussieren sich nach der Kreuzband-OP nur auf den Muskelaufbau. Allerdings ist der Kraftaufbau nur ein Baustein bei der Kreuzband-Reha. Was du auf deinem Weg zum starken Knie noch trainieren solltest, erfährst du in diesem Beitrag.
Inhalt
Ziele der Kreuzband-Reha
Unabhängig davon, ob eine konservative oder operative Therapie durchgeführt wird, sind die Ziele der Kreuzband-Reha immer gleich.
Funktionsfähigkeit und Stabilität
Ein wichtiges Ziel der Kreuzband-Reha ist, dass die Funktionsfähigkeit und Stabilität des Knies wieder gegeben sind.
Während eine Operation die mechanische Stabilität durch eine Kreuzbandplastik wiederherstellt, muss bei der konservativen Behandlung die umliegende Muskulatur den Verlust des Kreuzbandes kompensieren.
Im Idealfall ist das Kniegelenk am Ende der Reha in beiden Fällen voll beweglich, belastbar und (zumindest subjektiv) stabil.
Symmetrie zwischen beiden Knien
Daneben ist es bei der Kreuzband Reha auch wichtig, die Symmetrie zwischen beiden Knien wiederherzustellen.
Durch die Kreuzbandverletzung und besonders durch eine Operation mit anschließender Teilbelastung nimmt die Muskulatur im verletzten Bein schnell ab. Die Reha nach Kreuzbandriss soll deshalb auch helfen, die verlorene Muskulatur wieder aufzubauen, um so eine dauerhafte muskuläre Dysbalance zwischen gesundem und verletztem Bein zu vermeiden.
Prävention
Eine gute Kreuzband Reha dient darüber hinaus auch als Prävention vor einer erneuten Verletzung.
Viele Kreuzbandpatienten haben ein erhöhtes Risiko, nochmal einen Kreuzbandriss zu erleiden. Es ist deshalb wichtig, bei der Reha so zu trainieren, dass das Risiko einer erneuten Verletzung reduziert wird.
Diese Bereiche sind bei der Kreuzband-Reha wichtig
Um die Ziele der Kreuzband-Reha bestmöglich zu erreichen, müssen verschiedene Trainingsschwerpunkte gesetzt werden. Wer sich nur auf den Kraftaufbau fokussiert, vernachlässigt viele andere Faktoren, die für eine sichere Rückkehr zum Sport wichtig sind.
Denn Muskelkraft allein reicht für ein starkes Kniegelenk und als Schutz vor weiteren Verletzungen nicht aus. Daneben gibt es nämlich noch vier weitere Säulen, die du bei deiner Kreuzband-Reha beachten solltest:
Erst die Kombination der verschiedenen Säulen sorgt für eine optimale Kreuzband-Reha und senkt das Risiko einer erneuten VKB-Ruptur. Deshalb solltest du alle Bereiche während Reha und Physiotherapie übungstechnisch abdecken.
Die einzelnen Säulen unterliegen dabei keiner festen Reihenfolge, sondern überlappen sich im Verlauf der Rehabilitation teilweise. Allerdings kannst du davon ausgehen, dass du Agility und Sprungtraining erst in einer späteren Phase trainieren wirst, da du dafür zunächst wieder die richtige Kraft und neuromuskuläre Kontrolle benötigst.
Die 5 Säulen der Kreuzband-Reha
Säule 1: Kraft
Da du bei der konservativen Therapie und nach der Operation dein Bein meist für einige Wochen nur teilbelasten darf, geht die Muskulatur im verletzten Bein relativ schnell zurück. Besonders die Oberschenkelmuskulatur ist davon betroffen.
Sie ist aber wichtig, damit du langfristig wieder ein stabiles Knie hast. Denn sie ist auch die Grundlage für die neuromuskuläre Kontrolle deines Beines.
Diese sogenannte Muskelatrophie ist in der ersten Woche am größten. Um sie möglichst gering zu halten, musst du deshalb von Anfang an schon etwas tun.
Du kannst beispielsweise im Liegen den Oberschenkel anspannen oder das Bein anheben, um den Muskelverlust zumindest ein bisschen einzudämmen. Diese sogenannten isometrischen Übungen solltest du aber nur machen, wenn die Schmerzen dadurch nicht stärker werden.
Muskelschwäche und -verlust in den unteren Extremitäten (insbesondere Quadrizeps und Hamstring) sind typisch nach einer Kreuzbandverletzung und -rekonstruktion. Diese Schwäche geht sogar weit über die postoperative Phase hinaus und bedarf deshalb eines konsequenten Aufbautrainings.
Lesetipp: Das sind die wichtigsten Muskeln bei der Kreuzband-Reha
Säule 2: Ausdauer
Ausdauer ist die Fähigkeit, eine körperliche Anstrengung über längere Zeit durchzuhalten, ohne dabei zu ermüden. Durch die Verletzungspause leidet auch diese oftmals. Im Verlauf der Kreuzband Reha wirst du deshalb irgendwann auf dem Fahrrad-Ergometer oder dem Laufband landen.
Gerade zu Beginn dient das Ausdauertraining dazu, deine Muskulatur langsam wieder an die sportliche Belastung zu gewöhnen. Darüber hinaus dient es auch als Prävention vor erneuten Verletzungen. Denn wenn die Muskeln schnell ermüden, erhöht sich auch das Risiko von Verletzungen wieder, da durch die Ermüdung zum Beispiel die Körperspannung fehlt.
Säule 3: Sensomotorik (oder neuromuskuläre Kontrolle)
Ein Kreuzband enthält Mechanorezeptoren, die zur Propriozeption und neuromuskulären Kontrolle des Kniegelenks beitragen. Bei einem Kreuzbandriss werden diese sogenannten Propriozeptoren allerdings zerstört und führen dadurch zu einem neurologischen Defizit.
Dein Knie weiß dann nicht mehr, wie es in bestimmten Situationen reagieren und welche Muskeln es ansteuern muss.
Nach der Verletzung äußert sich das etwa durch ein „wackliges“ Knie. Du kannst zum Beispiel nicht mehr auf einem Bein stehen und dein Knie gibt einfach nach, weil es die Muskeln nicht mehr richtig koordinieren kann.
Du kannst deine Sensomotorik aber wieder trainieren. Denn die umliegenden Strukturen übernehmen nach einem Kreuzbandriss die neuromuskuläre Kontrolle. Dein Knie „lernt“ dadurch wieder, auf bestimmte Situationen zu reagieren.
Fremerey et al[1]Fremerey R, Freitag N, Wippermann B, Stalp M, Fu FH. Sensomotorisches Potenzial vom intakten und traumatisierten vorderen und hinteren Kreuzband — eine tierexperimentelle, neurophysiologische … Continue reading gehen sogar davon aus, dass die Ursache für funktionelle Beschwerden nach der Kreuzband-OP vor allem im neuromuskulären Leistungsdefizit des Gelenks liegen.
Die operative Rekonstruktion sollte deshalb immer mit einer neurosmukulären Therapie ergänzt werden.
Denn es hat sich bereits gezeigt, dass ein konsequentes neuromuskuläres Training deutliche bessere Ergebnisse erzielt als eine Physiotherapie mit einem Schwerpunkt auf dem Muskelaufbau.
Säule 4: Agility
Ein weiterer wichtiger Baustein einer effektiven Kreuzband-Reha ist die Beweglichkeit beziehungsweise genauer gesagt deine Wendigkeit. Es geht hier also weniger darum, dass du dein Knie wieder in vollem Umfang beugen und strecken kannst, sondern eher darum, das Knie auf schnelle Wendungen und unvorhergesehene Bewegungen vorzubereiten.
Es ist dennoch wichtig, dass du wieder eine vollständige Streckung (Extension) und Beugung (Flexion) im Knie erreichst. Besonders die Extension brauchst du, um normal gehen zu können. Eine ausreichende Flexion ist wiederum wichtig, um zum Beispiel Treppen steigen zu können.
Ohne eine gute Wendigkeit und Beweglichkeit ist es schwer, sicher wieder zum Sport zurückzukehren. Gerade bei Stop-and-Go-Sportarten und schnellen Richtungswechseln, wie sie zum Beispiel beim Fußball vorkommen, muss dein Knie starke Belastungen aushalten.
Für ein operiertes Kreuzband ist das untrainiert ein enormes Risiko einer Re-Ruptur. Deshalb solltest du bei deiner Kreuzband Reha immer auch deine Wendigkeit trainieren.
Säule 5: Sprungtraining
Das Sprungtraining sollte Teil der letzten Reha-Phase sein. Es wird oft vergessen, obwohl es ein entscheidender Faktor für eine erfolgreiche Kreuzband-Reha ist.
Denn sichere Sprungkombinationen sind besonders bei High-Impact-Sportarten wie Fußball, Basketball oder Volleyball wichtig.
Beim Sprungtraining in der Kreuzband-Reha geht es vor allem um die richtige (symmetrische) Landetechnik. Sprungübungen sollen helfen, dass das Knie bei der Landung nicht nach innen knickt und dadurch ein Valgus-Moment entsteht. Denn dieser erhöht das Risiko einer erneuten Ruptur, da die Landung einen enormen Druck auf die vordere Kreuzbandplastik ausübt.
Gleichzeitig stärken Sprungübungen das operierte Bein und verbessern das Gleichgewicht.
Patienten mit einer geschwächten Bein- und äußeren Hüftmuskulatur sind anfälliger für eine schlechte Landung, da bei ihnen häufiger ein Valgus-Moment entsteht. Dynamische und einbeinige Sprungübungen solltest du deshalb frühestens nach drei Monaten machen und nur wenn du dich sicher genug fühlst.
Mit effektivem Training zum Reha-Erfolg
Die Rehabilitation nach einem Kreuzbandriss ist eine lange und oft mühsame Zeit. Mit der richtigen Herangehensweise lohnt sie sich aber und du wirst merken, dass die 5 genannten Säulen jeweils ihren wichtigen Teil zum Erfolg der Knie-Reha beitragen.
Viele Re-Rupturen passieren nämlich deshalb, weil eine der Säulen vernachlässigt wurde. Ein guter Orthopäde oder Physiotherapeut achtet aber darauf, dass du alle diese Säulen während deiner Reha trainierst.
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Quellen und weiterführende Links[+]
↑1 | Fremerey R, Freitag N, Wippermann B, Stalp M, Fu FH. Sensomotorisches Potenzial vom intakten und traumatisierten vorderen und hinteren Kreuzband — eine tierexperimentelle, neurophysiologische Studie [Sensorimotor potential of the intact and injured anterior and posterior cruciate ligaments–a neurophysiological study in an animal model]. Z Orthop Ihre Grenzgeb. 2006 Mar-Apr;144(2):158-63. German. doi: 10.1055/s-2005-836930. PMID: 16625445. |
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