Keine Frage, ein Kreuzbandriss ist eine schwere Verletzung, die so ziemlich jeden erst einmal aus der gewohnten Bahn wirft. Ob Fußballer, Läufer oder Wintersportler: Wer aktiv ist, fragt sich, wann und wie er zur gewohnten Belastung zurückkehren kann. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch das Beinachsentraining während der Reha.
Inhalt
Was ist die Beinachse und was ihre Funktion?
Eine stabile Beinachse ist kurz gesagt die ideale Linienführung unserer Beine. Diese gerade gedachte Linie verläuft exakt durch die Mitte von Hüfte, Knie und Sprunggelenk, wenn Blickrichtung und Körperhaltung nach vorne ausgerichtet sind.
Bei einer physiologischen Beinachse ist die Belastung im Alltag und bei sportlichen Aktivitäten optimal ausbalanciert und es kommt zu keiner übermäßig einseitigen Belastung. Stattdessen wird die Last gleichmäßig auf Hüft-, Knie- und Sprunggelenke verteilt. Dadurch lassen sich Verletzungsrisiko sowie eine einseitige Gelenkabnutzung verringern.
Die Beinachse beeinflusst aber nicht nur die Belastung der einzelnen Gelenke, sondern ist außerdem von zentraler Bedeutung für eine optimale Kraftübertragung. Beim Gehen, Laufen oder Springen werden die mechanischen Kräfte effizient von den Füßen über die Beine und Hüfte bis hin zum Rumpf übertragen. Eine ausbalancierte Krafteinleitung und -übertragung sind damit essenziell für Koordination, Geschwindigkeit und Stärke bei alltäglichen Bewegungen und im Sport.
Zusammengefasst spielt die Beinachse also eine entscheidende Rolle für unsere Bewegung, Stabilität und Leistungsfähigkeit bei alltäglicher und sportlicher Belastung.
Achsabweichungen und ihre Folgen
Fehlstellungen der Beinachse können verschiedene Ausprägungen haben. Generell spricht man von einer Fehlstellung, wenn die tatsächliche Beinachse von der stabilen Beinachse abweicht. Solche Achsabweichungen können angeboren sein oder sich im Laufe des Lebens entwickeln, etwa durch einen Unfall, eine Erkrankung oder ungünstige Bewegungsmuster. Von den zwei bekanntesten Achsabweichungen im Kniegelenk hast du vielleicht schon einmal gehört: X- und O-Bein.
Genu valgum
Beim Genu valgum, besser bekannt als X-Bein, sind die Knie näher bei- und die Sprunggelenke weiter auseinander, wenn die Beine gerade stehen. Die Beinachse zeigt in diesem Fall eine konvexe Wölbung nach innen, die ähnlich wie ein X aussieht. Diese Achsfehlstellung führt zu einer erhöhten Belastung am äußeren (lateralen) Teil des Kniegelenks.
Genu varum
Das Genu varum ist das genaue Gegenteil vom Genu valgum. Beim sogenannten O-Bein zeigt die Beinachse eine konvexe Wölbung nach außen, wenn die Beine gerade sind. Dies führt dazu, dass die Knie weiter auseinander stehen, während die Sprunggelenke näher beieinander sind. Entsprechend ist der Druck auf das innere (mediale) Kniegelenk erhöht.
Beide Abweichungen können zu Beschwerden wie Schmerzen und einem erhöhten Verletzungsrisiko führen, da die Belastungen auf Hüft-, Knie- und Sprunggelenk nicht mehr optimal verteilt werden. Darüber hinaus ist auch die Kraftübertragung nicht mehr ideal.
Was passiert nach einem Kreuzbandriss mit der Beinachse?
Die Kreuzbänder gehören zu den Hauptstabilisatoren im Knie. Reißt beispielsweise das vordere Kreuzband, kommt es unweigerlich zu einer Instabilität im Knie und potenziell auch zu Veränderungen in der Beinachse. Schuld sind Muskelungleichgewichte, veränderte Bewegungsmuster und ein geschwächtes neuromuskuläres System. Sie können nach einem Kreuzbandriss zu einer Fehlbelastung und Fehlausrichtung der Beinachse führen.
Eine korrekte Beinachse ist jedoch gerade nach einem Kreuzbandriss wichtig, damit es aufgrund der nicht optimalen Belastung langfristig nicht zu sekundären Schäden wie einer Arthrose oder Meniskusschäden kommt. Sofern die Beinachse nicht schon vor der Verletzung deutlich von der Ideallinie abgewichen ist, kannst du sie aber zum Glück durch ein funktionelles Beinachsentraining verbessern. Dabei gibt es verschiedene Strukturen, die für das Beinachsentraining relevant sind:
Muskulatur
Oberschenkel-, Waden- und Gesäßmuskulatur spielen bei der Stabilisierung der Beinachse eine zentrale Rolle. Vor allem die Hüftabduktoren sind bei den meisten Kreuzbandpatienten schon vor der Verletzung zu schwach. Diese Schwäche der stabilisierenden Muskulatur führt zu einer Valgusstellung, die ein häufiger Verletzungsmechanismus für einen vorderen Kreuzbandriss darstellt. Umso wichtiger ist es, diese stabilisierende Muskulatur zu kräftigen, damit es nicht zu einer erneuten Ruptur kommt.
Gelenke
Du solltest die an der Beinachse beteiligten Gelenke (Hüfte, Knie und Sprunggelenk) mobilisieren und stärken. Ein ausreichendes Bewegungsausmaß dieser Gelenke ist für ein funktionelles Beinachsentraining unerlässlich.
Faszien
Das Bindegewebe hilft bei der Stützung der Gelenke und der Ausrichtung für eine korrekte Beinachse. Durch Faszientraining kannst du die Elastizität und Flexibilität des Bindegewebes verbessern und so vor allem verhärtete Strukturen lösen, die deine Beinachse möglicherweise in eine Abweichung ziehen.
Wieder fit nach Kreuzbandriss
Hol dir deinen Guide für die Kreuzband-Reha mit Plan
3 einfache Übungen für ein funktionelles Beinachsentraining
Für ein funktionelles Beinachsentraining hast du verschiedene Möglichkeiten. Zum Einstieg habe ich dir drei einfache Übungen herausgesucht, die du ohne Probleme zuhause machen kannst und für die du keine zusätzlichen Hilfsmittel brauchst.
Kniebeuge
Kniebeugen, oder auch Squats, gehören zu den effektivsten Übungen in der Kreuzband-Reha. Trainiert werden bei dieser Übung vor allem Oberschenkel- und Gesäß-, aber auch Waden- und Rumpfmuskulatur. Stelle dich hüftbreit hin, deine Füße stehen so, dass dein zweiter Zeh in Verlängerung zu deinem Knie steht. Dein Rücken ist während der Ausführung gerade.
Ziehe zuerst den Bauchnabel nach innen, damit dein Rumpf stabil bleibt. Beuge nun deine Knie und gehe nur so tief, wie du die eine stabile Beinachse halten kannst. Strecke dann die Beine wieder und kehre in die Ausgangsposition zurück. Wiederhole das Ganze 10-15 mal für 3 Sätze.
Achte bei der Ausführung darauf, dass du deine Knie beim Beugen nicht nach innen in eine Valgusstellung fallen, sondern immer in einer Linie mit deinem zweiten Zehenstrahl bleiben. Vermeide außerdem, dass deine Knie über die Füße hinaus nach vorne schieben. Grundsätzlich ist das zwar kein Problem. Gerade nach der Kreuzband-OP belastet dies aber die Kreuzbandplastik zusätzlich. Besser ist es deshalb, wenn du dir bei der Kniebeuge vorstellst, du würdest dich auf einen Stuhl setzen.
Standwaage
Einbeinige Übungen wie die Standwaage sind für Beinachenstraining sehr sinnvoll. Stelle dich zunächst aufrecht hin und verlagere dann dein Gewicht auf ein Bein. Beuge deinen Oberkörper nach vorne, während du das andere Bein gestreckt nach hinten anhebst. Halte diese Position kurz und kehre dann zur Ausgangsposition zurück. Beginne am besten mit deinem gesunden Bein und wiederhole die Übung 10-15 mal, bevor du das Bein wechselst.
Achte darauf, dass das Standbein gestreckt (aber nicht verriegelt, also überstreckt) bleibt, damit die Hüfte und das Knie in einer stabilen Position bleiben und die Beinachse korrekt ausgerichtet ist. Dein Becken zeigt während der gesamten Ausführung nach vorne bzw. unten und sollte nicht aufdrehen, damit es zu keiner asymmetrischen Belastung kommt. Der Rücken bleibt gerade. Auch hier empfiehlt es sich, zu Beginn den Bauchnabel erst einmal nach innen zu ziehen, um den Rumpf stabil zu halten.
Ausfallschritt nach hinten
Stelle dich hüftbreit hin, hebe dein verletztes Bein ab und stelle es nach hinten. Das vordere Knie bleibt währenddessen stehen und beugt so lange, bis es in einem rechten Winkel ist. Halte diese Position kurz und komme mit dem hinteren Bein dann wieder nach vorne. Wiederhole die Übung 10-15 mal, bevor du das Standbein wechselst.
Achte bei der Ausführung darauf, dass das vordere Knie nicht über die Fußspitze hinausragt und in einer Linie mit den Fußspitzen bleibt, um die korrekte Beinachse und zu gewährleisten. Außerdem bleibt der Rücken gerade und der Oberkörper möglichst aufrecht.
Wichtig: Bei Schmerzen solltest du jede der Übungen sofort abbrechen und erst einmal eine Pause machen.