Das Training deiner Muskulatur spielt bei der Rehabilitation nach Kreuzbandriss eine zentrale Rolle. Dabei gibt es Muskelpartien, denen du für eine erfolgreiche Rückkehr zum Sport besondere Beachtung schenken solltest. Welche die wichtigsten Muskeln bei der Kreuzband-Reha sind, erfährst du in diesem Beitrag.
Inhalt
Darum sind Muskeln für dich und dein Knie wichtig
Zusammen mit Knochen, gelenken, Sehnen und Bändern bilden die Muskeln den Stütz- und Bewegungsapparat. Über die Grundspannung halten sie deinen Körper zum einen aufrecht, zum anderen ermöglichen sie verschiedenste Bewegungen in Sport und Alltag.
Kurzum: Muskeln geben deinem Körper Stabilität und erlauben dir, dich zu bewegen. Darüber hinaus schützt eine gut trainierte Muskulatur vor Verletzungen, da sich mithilfe kräftiger Muskeln zum Beispiel ungünstige Bewegungsmuster vermeiden lassen.
Muskeln unterstützen daneben auch andere Strukturen wie etwa Bänder. Das wird beim Blick auf das Kniegelenk schnell deutlich. Da diesem weitgehend die knöcherne Führung fehlt, wird es in erster Linie durch Bänder gehalten.
In Zusammenarbeit mit Muskeln, Menisken und Kniegelenkkapsel stabilisieren Bänder dein Knie und ergänzen sich dabei gegenseitig. So unterstützen beispielsweise die Hamstrings das vordere Kreuzband als dessen Gegenspieler in seiner Funktion.
Nach einer Kreuzbandverletzung ist dieses Zusammenspiel massiv gestört und die umliegenden Strukturen müssen den Verlust des Kreuzbandes kompensieren. Hier kommt insbesondere der Oberschenkelmuskulatur eine tragende Rolle zu. Gerade deshalb ist es wichtig, dass du deine Muskeln nach einem Kreuzbandriss gut trainierst.
Welche Rolle spielt die Muskulatur bei der Reha?
Nach einem Riss des vorderen Kreuzbandes ist die muskuläre Rehabilitation eines der wichtigsten Behandlungsziele und zählt zu den fünf Säulen der Kreuzband-Reha.
Das Muskelaufbautraining soll zum einen die Kniestabilität, zum anderen die neuromuskuläre Ansteuerung verbessern. Die positiven Effekte des Muskelaufbautrainings sind wiederum abhängig von Dauer, Dosierung und Intensität.
Das heißt, du musst und sollst drei Wochen nach deiner Kreuzband-OP nicht trainieren wie vor der Verletzung. Vielmehr geht es darum, mit wenig Gewicht und einer niedrigen Intensität zu starten und diese im Verlauf der Reha zu steigern.
Wichtig ist nur, dass du so früh wie möglich mit einem leichten Muskelaufbautraining beginnst. Zu Beginn reichen dafür schon isometrische Anspannungsübungen, bei denen du deinen Oberschenkel anspannst und wieder lockerst. Sie können die Muskelatrophie (Abbau von Muskeln) zwar nicht vollständig vermeiden, sie aber möglichst gering halten.
Warum ist ein frühes Muskeltraining wichtig?
Die Muskelatrophie führt zu verzögerten Innervationszeiten und einem Kraftdefizit, wodurch sich wiederum die Nachbehandlung verlängern kann. Darüber hinaus wirkt sich die mangelhafte Muskelfunktion auf Beweglichkeit und Stabilität aus.
Und auch für die Prävention spielt das Muskelaufbautraining eine wichtige Rolle. Durch einen konsequenten Muskelaufbau während der Reha vermeidest du ungünstige Bewegungsabläufe und trainierst deine Ausdauer.
Zu wenig Kraft in der kniestabilisierenden Muskulatur und eine dadurch verringerte Bewegungsqualität sorgen nämlich dafür, dass du Bewegungen durch ungünstige Mechanismen kompensierst. Und auch bei Landungen oder Richtungswechseln gerät dein Knie zunehmend in eine Valgusstellung, die das Risiko einer erneuten VKB-Verletzung deutlich erhöhen kann.
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Das sind die wichtigsten Muskeln bei der Kreuzband-Reha
Es ist deshalb wichtig, dass du deine Muskeln bei der Kreuzband-Reha gezielt trainierst. Für bestimmte Muskeln und Muskelgruppen gilt dies ganz besonders.
Quadrizeps
Die Funktion des M. (Musculus) quadriceps femoris steht in engem Zusammenhang mit sportlichen Aktivitäten und ist auch für deinen Alltag wichtig. Das Training des Quadrizeps ist daher unerlässlich während der Reha.
Denn der Quadrizeps ist der einzige Streckmuskel des Knies. Ohne eine vollständige Streckung deines Kniegelenks wird schon einfaches Gehen zum Problem. Teste doch einfach mal, wie du gehen würdest, wenn du dein Kniegelenk nicht vollständig strecken kannst. Du wirst schnell merken, dass das nicht so gut funktioniert.
Und auch für den Sport brauchst du einen gut trainierten M. quadriceps femoris, um etwa Sprünge oder Sprints machen zu können. Für eine erfolgreiche Rückkehr zum Sport sollte die Quadrizepskraft bei mehr als 80 Prozent im operierten Bein liegen.
Aber Achtung: Bei unsachgemäßer Ausführung einer Übung und bei bestimmten Geräten (Kniestrecker) führt die Kontraktion des Quadrizeps zu einer enormen Belastung der Kreuzbandplastik. Du solltest deshalb nicht wie wild darauf los trainieren, sondern dir von deinem Therapeuten zeigen lassen, welche Übungen für deine Reha sinnvoll sind.
Hamstrings
Die Hamstrings oder auch ischiocrurale Muskulatur befindet sich auf der Oberschenkelrückseite. Zu dieser Muskelgruppe zählen die Mm. biceps femoris, semitendinosus und semimembranosus.
Der M. semitendinosus wird dir im Zusammenhang mit der VKB-Verletzung vielleicht schon bekannt vorkommen. Denn dessen Sehne ist eine der drei Optionen für die Kreuzbandrekonstruktion (hier erfährst du mehr zu den Sehnen bei der Kreuzband-OP).
Neben dem M. quadriceps femoris sind die Hamstrings die wichtigsten Muskeln bei der Kreuzband-Reha. Die Hamstrings sind für die Streckung der Hüfte und die Beugung des Knies verantwortlich.
Darüber hinaus sind sie die führenden dynamischen Stabilisatoren des Knies und wirken synergistisch zum VKB. Das heißt, sie haben die gleiche Funktion beziehungsweise unterstützen das vordere Kreuzband dabei, die Tibia in der richtigen Position zu halten. Bei Bewegungen der Tibia gegenüber dem Femur schützen die Hamstrings das vordere Kreuzband also direkt.
Das Training der ischiocruralen Muskulatur ist im Zusammenhang mit der Reha nach Kreuzbandriss deshalb besonders wichtig. Während eine einseitige Quadrizepsaktivität dazu führt, dass die Tibia sich nach vorne verlagert (das VKB muss dann mehr arbeiten, um die Tibia in Position zu halten), unterstützen die Hamstrings hingegen die Funktion des VKB.
Gerade deshalb ist es auch essenziell, dass du am Ende Vorder- und Rückseite deiner Oberschenkelmuskulatur trainierst. Denn viele Risikoathleten sind quadrizepsdominant und die Muskulatur der Oberschenkelrückseite ist im Vergleich zur Vorderseite zu schwach.
Hüftrotatoren
Auch die Hüftmuskeln, genauer gesagt die Hüftrotatoren, spielen bei der Reha eine wichtige Rolle. In einer Studie von 2005[1]Zazulak BT, Ponce PL, Straub SJ, Medvecky MJ, Avedisian L, Hewett TE. Gender comparison of hip muscle activity during single-leg landing. J Orthop Sports Phys Ther. 2005 May;35(5):292-9. doi: … Continue reading erkannten Mediziner beim Vergleich zwischen Männern und Frauen, dass eine schwache Hüftmuskulatur das Risiko einer Kreuzbandverletzung erhöhen kann.
Insbesondere die Hüftrotatoren (vor allem der M. gluteus maximus) rücken hier in den Vordergrund. Denn durch zu schwache Hüftrotatoren erhöhst du das Risiko einer ungünstigen Valgusstellung bei Landungen oder schnellen Richtungswechseln.
Lesetipp: Hüftschmerzen nach dem Kreuzbandriss? Daran könnte es liegen
Rumpf
Im ersten Moment klingt es vielleicht komisch, dass du bei der Kreuzband-Reha auch deine Rumpfmuskulatur trainieren solltest. Bei sportlicher Aktivität ist dein Core aber ein wichtiger Stabilisator für dein Knie beziehungsweise deine unteren Extremitäten.
Zu den Rumpfmuskeln zählen die Mm rectus abdominis, transversus, externus obliquus sowie der erector spinae. Sie stabilisieren deine Wirbelsäule und deine unteren Extremitäten. Eine verminderte Rumpfstabilität fördert gemeinsam mit einer Schwäche der Hüftrotatoren die Valgusstellung.
Weitere wichtige Muskeln
Neben Oberschenkelmuskulatur, Hüftrotatoren und Core gibt es noch weitere Muskeln, denen du während deiner Reha etwas mehr Beachtung schenken solltest.
M. tibialis anterior
Der M. tibialis anterior befindet sich am Schienbein und hebt deinen Fuß. Diese Funktion ist wichtig für ein sauberes Abrollen des Fußes.
Eine Fußheberschwäche ist beim normalen Gehen vielleicht noch nicht auffällig. Spätestens beim Joggen wirst du die Muskelschwäche allerdings spüren. Denn beim Joggen oder Rennen ist die Belastung auf das Knie während der Landephase höher, weil du nicht richtig abrollst, sondern flach mit dem Fuß aufsetzt.
Langfristig kann das zu Folgeschäden oder weiteren Problemen in deinem verletzten Knie führen. Zusätzlich erhöhst du durch die falsche Landetechnik (zum Beispiel nach einem Kopfball) das Risiko einer erneuten Knieverletzung.
M. gastrocnemius
Als weiterer Muskel im Unterschenkel ist der M. gastrocnemius ein relevanter Muskel für deine Reha. Er ist Teil der Wadenmuskulatur und unterstützt bei der Kniebeugung, die du für eine normale Kniefunktion im Alltag und bei sportlicher Aktivität benötigst.
Muskelaufbautraining nur ein Teil der Reha
Du weißt jetzt, welche Muskeln für die Kreuzband-Reha besonders wichtig sind. Das Muskelaufbautraining ist dennoch nur ein Teil der Rehabilitation. Wenn du nach deinem Kreuzbandriss wieder fit werden willst, gilt es noch weitere Dinge zu berücksichtigen wie etwa die neuromuskuläre Kontrolle.
Wenn du mehr zur Reha erfahren willst, liest meinen Beitrag So sieht die Reha nach Kreuzbandriss aus.
Quellen und weiterführende Links[+]
↑1 | Zazulak BT, Ponce PL, Straub SJ, Medvecky MJ, Avedisian L, Hewett TE. Gender comparison of hip muscle activity during single-leg landing. J Orthop Sports Phys Ther. 2005 May;35(5):292-9. doi: 10.2519/jospt.2005.35.5.292. PMID: 15966540. |
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Könnten sie mir bitte den namen der autorin und das erscheinungsdatum senden. Ich würde es für meine wissenschaftliche Arbeit benötigen.
Hallo Erol, Autor bin ich. Das Erscheinungsdatum ist der 13.12.2021. 😉