Für die Behandlung von Kreuzbandrissen gibt es inzwischen verschiedene Möglichkeiten. Eine davon ist Ligamys. Die innovative Methode des Medizintechnik-Unternehmens Mathys hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Das Besondere: Anstatt das gerissene Band zu entfernen und durch eine körpereigene Sehne zu ersetzen, nutzt Ligamys die Fähigkeit des Körpers zur Selbstheilung.
Inhalt
Wie funktioniert Ligamys?
In den meisten Fällen wird ein Kreuzbandriss operiert und das gerissene Kreuzband durch eine körpereigene Sehne ersetzt. Ganz anders zu diesen herkömmlichen Behandlungsmethoden funktioniert die dynamische Stabilisierung mit Ligamys.
Bei diesem Verfahren bleibt das eigene Kreuzband mit seinen Funktionen erhalten und es muss keine körpereigene Sehne geopfert werden. Dabei wird ein dynamisches Stabilisierungs- und Rerupturprophylaxe-System eingesetzt. Das Implantat stabilisiert das verletzte Kreuzband temporär, bis es wieder zusammengewachsen ist und seine volle Funktionsfähigkeit zurückgewonnen hat.
Das Implantat besteht aus drei Komponenten:
- Polyethylen-Faden: Der robuste Faden wird in Verlaufsrichtung des vorderen Kreuzbandes eingezogen und übernimmt kurzfristig die Funktion des verletzten Kreuzbands.
- Metallplättchen: Das Metallplättchen aus Titan sichert den Faden an der Außenseite des Oberschenkelknochens und hält ihn so auf Spannung.
- Metallhülse mit Federsystem: Der sogenannte Monoblock ist der entscheidende Bestandteil von Ligamys. Er hält das andere Ende des Polyethylen-Fadens gedehnt gelagert. Erst durch ihn ist eine dynamische Verbindung zwischen Oberschenkel und Schienbein möglich, damit das Kreuzband wieder zusammenwachsen kann.
Alle Komponenten können dauerhaft im Knie verbleiben. Wenn sie als störend empfunden werden, können sie über einen minimal-invasiven Eingriff entfernt werden. Dann solltest du für zwei Wochen auf Sport verzichten.
Das passiert bei der Operation
Die dynamische Stabilisierung mittels Ligamys erfolgt arthoroskopisch. Die Operation kann in Voll- oder Teilnarkose durchgeführt werden und dauert in etwa eine Stunde. Bei dieser wird das vordere Kreuzband mit einer speziellen Konservierungsflüssigkeit behandelt, um den natürlichen Heilungsprozess zu unterstützen. Gleichzeitig wird eine temporäre mechanische Stabilisierung des verletzten Gelenks durch das Ligamys-System hergestellt.
In diesem Video von Mathys kannst du sehen, wie die Operation abläuft:
Indikationen für Ligamys
Leider ist nicht jede Form von Kreuzbandriss für eine Ligamys-Behandlung geeignet. Es gibt spezifische Kriterien, die erfüllt sein müssen. Damit Ligamys als Behandlungsoption in Betracht gezogen werden kann, sollten die folgenden Bedingungen erfüllt sein:
- Frischer Riss: Das Ligamys-Verfahren ist besonders geeignet für Patienten, die einen akuten Kreuzbandriss haben. Die Behandlung sollte idealerweise innerhalb von 21 Tagen nach dem Trauma durchgeführt werden.
- Proximaler Riss: Ligamys ist am effektivsten bei Patienten, bei denen das Band proximal, das heißt nahe am Oberschenkel, abgerissen und das verletzte Band noch gut erhalten ist.
- Allgemeine Gesundheit des Gelenkes: Das betroffene Knie sollte ansonsten gesund und frei von chronischen Erkrankungen oder Schäden sein, die den Heilungsprozess beeinträchtigen könnten.
- Verpflichtung zur Rehabilitation: Da die Behandlung eine aktive postoperative Rehabilitation erfordert, sollten Patienten bereit und in der Lage sein, sich an das empfohlene Rehabilitationsprogramm zu halten.
Vorteile gegenüber anderen Behandlungsmethoden
Im Gegensatz zu herkömmlichen Techniken bietet das Ligamys-Verfahren eine Reihe von Vorteilen.
Der größte Benefit ist sicherlich, dass das vordere Kreuzband (VKB) erhalten bleibt. Dieses hat zwei zentrale Aufgaben: Zum einen die mechanische Führung des Kniegelenks bei Bewegungen, zum anderen die sensorische Rückmeldung über die Lage des Knies im Raum. Damit ist das VKB ein wichtiger Stabilisator bei schnellen und komplexen Bewegungsabläufen.
Kommt es nun zu einem Riss des vorderen Kreuzbands ist der gesamte Stabilisierungsmechanismus im Kniegelenk gestört. Auch ein Kreuzbandersatz kann diese Stabilität nicht wiederherstellen. Mit Ligamys soll dieses Problem umgangen werden. Indem das gerissene Kreuzband heilt, bleibt auch die natürliche Stabilität des Kniegelenks erhalten.
Im Gegensatz zur Kreuzbandplastik ermöglicht dieses Vorgehen außerdem eine schnellere und effektivere Heilung und langwierige Rehabilitationsprozesse werden vermieden. Darüber hinaus minimiert Ligamys das Risiko einer erneuten Verletzung und ist dank des arthoroskopischen Eingriffs weniger invasiv als andere Behandlungsmethoden.
Weitere Vorteile sind:
- Minimale Bohrkanäle: Mit 2,4 mm sind die Bohrkanäle sehr viel schmaler als die Transplantatkanäle, die für eine Kreuzbandrekonstruktion notwendig sind.
- Keine Sehnenentnahme: Da keine Sehne für die Kreuzbandplastik entnommen wird, kommt es zu keinen Schmerzen oder einer physiologischen Schwächung an der Entnahmestelle.
- Wiederherstellung der Kniestabilität: Ligamys zielt darauf ab, die natürliche Stabilität und Beweglichkeit des Knies wiederherzustellen.
- Verringertes Auftreten von Meniskusschäden: Da das ursprüngliche Kreuzband erhalten bleibt, könnte das Risiko weiterer Meniskusschäden reduziert werden.
- Möglichkeit einer biologischen Einheilung: Das Ligamys-Verfahren ermöglicht eine stärkere biologische Heilung im Vergleich zu anderen Techniken.
Risiken und mögliche Nachteile
Wie bei jedem medizinischen Verfahren gibt es auch bei Ligamys einige Risiken und Nachteile:
- Nur innerhalb eines bestimmten Zeitfensters anwendbar: Das Ligamys-Verfahren ist am effektivsten, wenn es innerhalb von 21 Tagen nach dem ersten Trauma durchgeführt wird. Dies kann für Patienten, die keinen sofortigen Zugang zu einem Facharzt haben, problematisch sein. Sie haben somit keine Chance, mit der Ligamus-Methode operiert zu werden.
- Nicht für alle Arten von Rissen geeignet: Ligamys ist hauptsächlich für proximale Kreuzbandrisse und gut erhaltene Bänder indiziert. Das bedeutet, dass es für Bänder, die im unteren Teil (distal) gerissen oder stark beschädigt sind, nicht geeignet sein kann.
- Risiko von Komplikationen: Wie bei jeder Operation besteht auch bei dem Ligamys-Verfahren das Risiko von Komplikationen, einschließlich Infektionen und Reaktionen auf die verwendeten Materialien.
Wie sieht die Physiotherapie nach Ligamys aus?
Die Physiotherapie ist bei der dynamischen Stabilisierung mit Ligamys äußerst wichtig. Erst das konsequent durchgeführte Training trägt zum Therapieerfolg bei. Die Methode eignet sich deshalb nur für Patienten, die hier aktiv mitarbeiten.
Die Rehabilitation beginnt direkt nach der Operation. Sie ist in vier Phasen unterteilt:
- Ruhephase: In der ersten Woche geht es hauptsächlich darum, Schmerzen und Schwellung zu lindern. Für dich heißt das also, Beine hochlegen und nur wenig herumgehen. Die ersten vier Tage musst du außerdem eine fixe Orthese in Streckstellung tragen, ab dem 5. Tag darfst du diese weglassen. Auch eine Beugung des Kniegelenks und Aktivierungsübungen des Quadrizeps solltest du vermeiden.
- Beweglichkeitsphase: Die nächsten sechs Wochen steht die Neubildung von Gewebe im Vordergrund (Proliferationsphase). Schwellung und Schmerz nehmen ab und die Beweglichkeit nimmt zu. In dieser Zeit mobilisierst du dein Knie moderat, bei der Extension solltest du allerdings noch vorsichtig sein. Wichtig ist: Nicht übertreiben, damit sich die Entzündungszeichen nicht verstärken. Außerdem solltest du bei allen Übungen stets auf eine korrekte Beinachse achten.
- Kraftaufbau: Bei einer adäquaten Belastung in der zweiten Phase hat sich das gerissene Band 4 bis 6 Monate nach der OP zu einer relativ stabilen Struktur ausgebildet. Belastbarkeit und Elastizität sind nun deutlich erhöht. Du kannst die Belastbarkeit steigern, der Fokus liegt dabei auf Kraft und Koordination.
- Sportartspezifische Phase: Nach 6 bis 12 Monaten kannst du mit einem sportartspezifischen Aufbautraining beginnen. Unkontrollierte Situationen wie Zweikämpfe solltest du dennoch vermeiden und dich langsam an deine Sportart herantasten. Vor der Rückkehr zum Sport solltest du auf jeden Fall alle Kriterien erfüllen, die dafür notwendig sind. Return-to-Sports-Test können dir hier helfen.
Intensitäten und Schwerpunkte sind auf die Phasen der biologischen Bandheilung abgestimmt und können bei Zusatzverletzungen variieren. Am wichtigsten ist jedoch immer der funktionelle Status des Patienten. Das heißt, du wechselst erst dann in die nächste Rehabilitationsphase, wenn du die jeweiligen Ziele der aktuellen Phase erreicht hast.
Das 4-Phasenmodell ist speziell für Ligamys-Patienten mit einer isolierten vorderen Kreuzbandruptur entwickelt. Deshalb hat Mathys eine eigene Broschüre für die Rehabilitation nach einer Versorgung mit Ligamys erstellt. In dieser sind die Phasen, Maßnahmen und Ziele sowie mögliche Tests für die Rückkehr zum Sport enthalten.
Spannende Alternative für Patienten
Die Ligamys-Technologie setzt große Hoffnungen auf zukunftsweisende und effektive Behandlungen für Risse des vorderen Kreuzbands. Mit fortschreitenden klinischen Studien und technologischen Verbesserungen könnte Ligamys so bald eine etablierte Alternative zum Kreuzbandersatz sein.
Es ist dennoch wichtig, dass eine gründliche Untersuchung und Beratung durch einen qualifizierten Arzt stattfindet. Er muss sicherstellen, dass die Ligamys-Behandlung für den individuellen Patienten geeignet ist.
Wenn du dich für eine Kreuzbandrekonstruktion mit Ligamys interessiert, kannst du auf der Website von Ligamys nach Ärzten suchen, die diese OP-Methode durchführen.
Wieder fit nach Kreuzbandriss
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Ich habe gelesen, dass die Ligamys Methode nicht so hohe Belastungen aushält wie eine Plastik. Deswegen verwenden Profisportler sie nicht.
Ich bin kein Profisportler, habe aber Angst, dass dies eine zweitklassige Lösung ist. Wie siehst du das?
Hey Arti,
deine Angst, dass die Ligamys-Methode eine zweitklassige Lösung sein könnte, ist verständlich, aber nicht unbedingt begründet. Am Ende hängt es von vielen Faktoren ab, welche Methode für welchen Patienten die beste ist. Biomechanisch betrachtet, soll Ligamys die Eigenschaften des nativen Kreuzbandes möglichst erhalten und zugleich durch die zusätzliche mechanische Unterstützung ein sicheres Heilen ermöglichen.
Allerdings kann es schon sein, dass das natürliche Band selbst nach der Heilung Schwächen aufgrund der Verletzung und des Heilungsprozesses behält. Traditionelle Transplantate können hingegen so präpariert und platziert werden, dass sie eine optimale biomechanische Funktionalität und Belastbarkeit erreichen. Auf der anderen Seite ist aber auch das nicht immer gleichbedeutend mit einer höheren Stabilität. Denn jeder Körper ist individuell und Heilungsprozesse können zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.
Ich denke, das „Problem“ ist eher, dass es für Ligamys noch keine Langzeitstudien gibt, da die Methode erst seit etwa 15 Jahren existiert. Kreuzband-OPs mit dem klassischen Sehnenersatz werden hingegen schon seit +/- 40 Jahren durchgeführt. Dazu gibt es für traditionelle OP-Methoden bereits erprobte Rehaprotokolle, die eine schnelle Rückkehr zum Sport gewährleisten.
Profisportler und die medizinischen Teams, die mit ihnen arbeiten, benötigen Behandlungsmethoden, die bewährt und zuverlässig sind und die bestmögliche Chance bieten, auf das höchste sportliche Niveau zurückzukehren. Aus diesem Grund neigen sie dazu, Verfahren mit dem stärksten Nachweis eines langfristigen Erfolgs zu verwenden.
Gerade im Leistungssport ist Zeit außerdem ein sehr wichtiger Faktor. Schließlich geht es oft auch um viel Geld. Wenn ein Spieler mit einem traditionellen Ansatz nach sechs Monaten wieder fit ist und nicht bis zu 12 Monate warten muss, wird das im Leistungsbereich bevorzugt. Du musst daran denken, dass bei Ligamys dein originales Kreuzband wieder heilen soll – und das kann auch mal länger als sechs Monate dauern.
Nicht zuletzt eignet sich Ligamys am besten bei proximalen Rupturen und wenn das Band noch gut erhalten ist. Auch das ist bei vielen Patienten nicht gegeben. Damit fällt diese Option für sie weg.
Am Ende musst du für dich selbst entscheiden, wie du dich behandeln lassen willst. Ich würde aber behaupten (und das ist meine persönliche Meinung), dass du dich glücklich schätzen kannst, für Ligamys infrage zu kommen. Dein Kreuzbandriss ist „so gut“, dass du die Chance hast, dein originäres Kreuzband und damit auch dessen propriozeptive Fähigkeiten zu erhalten. Das heißt auch, dass du keine zusätzlichen Verletzungen oder eine Schwächung durch eine Sehnenentnahme hast.
Lass mich gerne wissen, wie deine Heilung verläuft, falls du dich für die Ligamys-Methode entscheidest.
Alles Gute,
Sarah