Mit einem lauten Knacken, einem scharfen Schmerz und einer plötzlichen Schwäche im Knie fängt es meist an – Diagnose Kreuzbandriss. Doch das ist häufig nur der Beginn einer unsicheren Reise. Denn der Schaden geht oft über den unmittelbaren Riss hinaus und dein Arzt wird mindestens einmal den Begriff Arthrose in den Raum werfen. Doch ist das Risiko für eine Arthrose nach Kreuzbandriss tatsächlich erhöht oder ist es nach einer Kreuzband-OP gleich hoch wie im gesunden Knie?
Inhalt
Was ist Arthrose und wie entsteht sie?
Arthrose ist eine degenerative Gelenkerkrankung, bei der die Gelenkknorpel allmählich abgebaut werden. Das führt langfristig zu Schmerzen und Bewegungseinschränkungen führen.
In einem gesunden Gelenk fungiert der Knorpel als stoßdämpfende Schicht zwischen den Knochen und ermöglicht eine reibungslose Bewegung. Der Knorpel enthält spezialisierte Zellen, die Chondrozyten genannt werden. Diese Zellen sind für den Erhalt und die Regeneration des Knorpels verantwortlich, indem sie Knorpelmatrix produzieren, die aus Kollagenfasern und Proteoglykanen besteht.
Bei einer Arthrose kommt es zu einem Ungleichgewicht zwischen der Produktion und dem Abbau des Knorpels. Die Chondrozyten beginnen, Enzyme abzusondern, die den Knorpel abbauen und Entzündungsmediatoren freisetzen. Diese Entzündungsmediatoren führen zu einer Veränderung der Gelenkflüssigkeit (Synovia), die ihrerseits den Knorpel zusätzlich schädigt.
Durch die fortschreitende Abnutzung des Knorpels kann es zu Knochenverformungen, der Bildung von Knochenspornen (Osteophyten) und Veränderungen im umgebenden Weichgewebe (Bänder, Muskeln) kommen. Die Gelenke verlieren an Stabilität, werden weniger beweglich und schmerzhaft, was die Lebensqualität der betroffenen Personen erheblich beeinträchtigt.
Wer ist betroffen?
Arthrose ist eine der häufigsten Formen von Gelenkerkrankungen weltweit. Sie betrifft Millionen von Menschen aller Altersgruppen. Generell nimmt das Risiko aber mit dem Alter zu. So soll etwa jeder zweite über 60 von Arthrose betroffen sein.
Hauptursachen von Arthrose sind
- Überlastung durch Fehlstellungen oder wiederholte Belastungen beim Sport oder im Beruf
- Übergewicht
- Entzündliche Veränderungen
- Genetische Veranlagung
- Natürliche Alterungsprozesse
- Verletzungen, zu denen auch der Kreuzbandriss zählt
Von Arthrose können grundsätzlich alle Gelenke betroffen sein, jedoch sind die am häufigsten betroffenen Gelenke Knie, Hüfte, Wirbelsäule und Fingergelenke.
So hängen Arthrose und Kreuzbandriss zusammen
Das vordere und hintere Kreuzband sind wichtige Strukturen im Knie, die zur Stabilisierung des Gelenks beitragen. Ein Kreuzbandriss ist eine schwerwiegende Verletzung, die erhebliche Auswirkungen auf die Stabilität und Funktion des betroffenen Knies haben kann. Wenn eines dieser Bänder reißt, kann es durch die veränderte Bewegungsdynamik und Instabilität nach dem Riss zu Veränderungen im Kniegelenk kommen.
Dazu gehören auch eine vermehrte Belastung und Abnutzung des Gelenkknorpels. Anhaltende mechanische Stressfaktoren verursachen mikroskopische Verletzungen im Knorpel. Wenn diese Schäden das Wachstum des Knorpels überschreiten, kann dies zu dauerhaftem Knorpelverlust und letztlich zur Entwicklung einer Arthrose nach Kreuzbandriss führen.
Auch die Wissenschaft unterstützt diese Schlussfolgerung und zeigt einen deutlichen Zusammenhang zwischen einem Kreuzbandriss und der Entwicklung von Arthrose im späteren Verlauf. So haben bereits mehrere Studien festgestellt, dass das Risiko für eine Arthrose nach einem Kreuzbandriss über die Jahre steigt. Nach zwei Jahren beträgt die Wahrscheinlichkeit für den Knorpelschaden durchschnittlich 6,9 Prozent, nach zehn Jahren sogar 79,6 Prozent.[1]Spahn, G., Schiltenwolf, M., Hartmann, B. et al. Das zeitabhängige Arthroserisiko nach vorderer Kreuzbandverletzung. Orthopäde 45, 81–90 (2016). https://doi.org/10.1007/s00132-015-3170-4
Arthrose nach Kreuzbandriss vorbeugen: Diese 3 Faktoren spielen eine Rolle
Um die Entstehung der Arthrose nach einem Kreuzbandriss zumindest zu reduzieren, spielen Prävention, frühzeitige Diagnose und adäquate Behandlung eine entscheidende Rolle.
Rehabilitation und Physiotherapie nach dem Kreuzbandriss
Die Reha nach Kreuzbandriss ist wichtig, um die Funktionsweise des betroffenen Knies wiederherzustellen und so das Arthroserisiko zu senken. Denn wenn bestimmte Strukturen wie Muskeln und Bänder nicht richtig arbeiten, können sie das Gelenk nur unzureichend stabilisieren und die Belastung auf die Gelenkflächen erhöht sich.
Das kann zu einer Verschlechterung der Gelenkmechanik und einem beschleunigtem Verschleiß des Knorpels führen. Starke, gut funktionierende Muskeln und Bänder nach der Knieverletzung sind also wichtig, um die Gelenke zu entlasten und deren Verschleiß entgegenzuwirken.
Individuell angepasste Trainingsprogramme können helfen, die Gelenkstabilität und Koordination zu verbessern, die Muskulatur zu kräftigen und die Beweglichkeit im Kniegelenk zu erhalten. Durch eine erfolgreiche Kreuzband-Reha wird das Kniegelenk und dessen umliegende Strukturen wie Menisken und Knorpel besser geschützt.
Präventions- und Aufklärungsarbeit im Sport
Prävention und Aufklärung spielen im Sport ebenfalls eine wichtige Rolle. Sie setzen schon einen Schritt vorher an, denn bei der Prävention geht es darum, Verletzungen wie Kreuzbandrisse und dadurch bedingte Folgeerkrankungen wie Arthrose vorzubeugen.
Das Erkennen und Vermeiden von Risikosituationen, die Einhaltung von Regeln sowie das Erlernen von korrekten Bewegungsabläufen und Techniken sind hier zentrale Bestandteile der Prävention. Auch eine Schulung und Sensibilisierung von Trainern, Sportlern und anderen Beteiligten kann dabei helfen, das Verletzungsrisiko zu reduzieren. Das geringste Risiko für eine Arthrose hast du nämlich dann, wenn du dich gar nicht erst verletzt.
Kreuzband-OP für ein geringeres Arthroserisiko
Auch eine Rekonstruktion des Kreuzbands scheint das Risiko für Arthrose nicht zu eliminieren. Selbst mit operativer Behandlung bleibt das Kniegelenk verändert und kann über die Jahre Verschleißerscheinungen aufzeigen, die das Risiko für eine Arthrose erhöhen.
Aber: Nach 20 Jahren wird das Arthroserisiko nach einer Kreuzbandrekonstruktion im Vergleich zu unbehandelten Rissen als geringer berichtet.[2]Louboutin H, Debarge R, Richou J, Selmi TA, Donell ST, Neyret P, Dubrana F. Osteoarthritis in patients with anterior cruciate ligament rupture: a review of risk factors. Knee. 2009 Aug;16(4):239-44. … Continue reading
Durch die Wiederherstellung der Gelenkstabilität und der normalen Bewegungsmechanik des Knies kann das Kniegelenk besser geschützt und somit auch der Entstehung von Arthrose entgegengewirkt werden. Die OP-Methode sollte jedoch individuell auf den Patienten abgestimmt sein und von Faktoren wie Alter, Aktivitätsgrad und Begleitverletzungen abhängen.
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Arthrose nach Kreuzbandriss behandeln
Während kurzfristige Folgen nach einer VKB-Ruptur oft schmerzhaft, aber behandelbar sind, können die langfristigen Auswirkungen, also eine Arthrose nach Kreuzbandriss, erhebliche Auswirkungen auf die Lebensqualität haben.
Ist bereits eine Arthrose diagnostiziert, gibt es verschiedene konservative und operative Therapieansätze. Welche Behandlung eingesetzt wird, hängt von der Schwere der Arthrose ab. Bei einer weit fortgeschrittenen Arthrose stoßen konservative Therapien in der Regel an ihre Grenzen.
Konservative Therapiemöglichkeiten
- Schmerzmanagement und Entzündungshemmung: Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAIDs) und Paracetamol können zur Schmerzlinderung und Entzündungshemmung eingesetzt werden
- Physiotherapie: Physiotherapie kann helfen, Schmerzen zu reduzieren und die Beweglichkeit zu verbessern. Sie beinhaltet manuelle Techniken sowie Übungen zur Stärkung der Muskulatur und Verbesserung der Flexibilität.
- Gewichtsmanagement: Übergewicht kann die Abnutzung eines arthrotischen Gelenks beschleunigen. Eine Gewichtsreduktion durch Sport oder eine Ernährungsumstellung kann helfen, den Druck auf die Gelenke zu verringern.
- Physikalische Therapie: Die Applikation von Wärme oder Kälte, Massage, Elektrotherapie oder Hydrotherapie können dazu beitragen, Schmerzen zu lindern und Entzündungen zu reduzieren.
Operative Therapiemöglichkeiten
Wenn eine konservative Behandlung nicht anschlägt oder die Arthrose zu weit fortgeschritten ist, ist ein operativer Eingriff für gewöhnlich der nächste Schritt. Auch hier gibt es verschiedene Ansätze, die abhängig von der Krankengeschichte infrage kommen.
- Arthroskopisches Gelenkdebridement: Der Chirurg entfernt hierbei minimalinvasiv beschädigtes oder entzündetes Gewebe im Gelenk. Das soll Schmerzen reduzieren und die Gelenkfunktion verbessern.
- Mikrofrakturierung: Die Mikrofrakturierung ist ein minimalinvasives Verfahren und wird bei kleinen, tiefen Knorpelschäden eingesetzt, die bis zum darunterliegenden Knochen reichen. Dabei werden kleine Löcher in den darunterliegenden Knochen gebohrt. Diese sollen die Freisetzung von Wachstumsfaktoren stimulieren und die Reparatur des Knorpelgewebes fördern.
- Osteotomie: Bei einer Osteotomie wird der Knochen um das Gelenk herum neu positioniert, um die Last besser zu verteilen und den Druck auf den beschädigten Bereich zu reduzieren. Diese Behandlung wird typischerweise bei Patienten mit beginnender Arthrose und Achsfehlstellungen des Kniegelenks angewendet, um die übermäßige Belastung auf den geschädigten Teil des Gelenks zu verringern.
- Endoprothetik: Bei einer fortgeschrittenen Arthrose kann es notwendig sein, das beschädigte Gelenk durch ein künstliches Gelenk zu ersetzen. Eine Knie-TEP ist eine Standard-OP und für viele Betroffene die letzte Möglichkeit, um Schmerzen zu lindern und die Lebensqualität zu erhöhen. Bei der Behandlung von Patienten mit frischer Knie-TEP habe ich sehr oft gehört, dass genau dies ihr größtes Problem war: keine Lebensqualität durch zu große Schmerzen.
Arthrose nach Kreuzbandriss ist kein Muss
Ein Kreuzbandriss mag zunächst ein ziemlicher Rückschlag sein, aber er bedeutet nicht zwangsläufig, dass eine Arthrose folgen muss. Es gibt viele Faktoren, die eine Rolle spielen, und mit der richtigen Behandlung, gezieltem Training und einem gesunden Lebensstil kannst du dein Risiko aktiv steuern. Solltest du dennoch die Diagnose Arthrose erhalten, gibt es verschiedene Behandlungsoptionen, um Schmerzen zu lindern und deine Lebensqualität zu verbessern.
Quellen und weiterführende Links[+]
↑1 | Spahn, G., Schiltenwolf, M., Hartmann, B. et al. Das zeitabhängige Arthroserisiko nach vorderer Kreuzbandverletzung. Orthopäde 45, 81–90 (2016). https://doi.org/10.1007/s00132-015-3170-4 |
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↑2 | Louboutin H, Debarge R, Richou J, Selmi TA, Donell ST, Neyret P, Dubrana F. Osteoarthritis in patients with anterior cruciate ligament rupture: a review of risk factors. Knee. 2009 Aug;16(4):239-44. doi: 10.1016/j.knee.2008.11.004. Epub 2008 Dec 20. PMID: 19097796. |