Nach einem Kreuzbandriss kann es zu Bewegungseinschränkungen im Knie kommen. Werden diese nicht behandelt, können sie deine Rückkehr zum Sport verhindern und sogar im Alltag zum Problem werden. Bei einer eingeschränkten Beweglichkeit nach der Verletzung oder der Operation solltest du also aktiv werden.
Inhalt
Arten von Bewegungseinschränkungen im Knie
Es gibt zwei Arten von Bewegungseinschränkungen: funktionelle und strukturelle Defizite. Um eine effektive Therapie planen zu können, ist es wichtig, zwischen diesen beiden zu unterscheiden. Denn sie erfordern unterschiedliche Behandlungsansätze, da die Ursachen verschieden sind.
Funktionelle Defizite
Funktionelle Defizite betreffen die Einschränkung des normalen Bewegungsumfangs, die nicht auf anatomische Schäden oder Veränderungen im Kniegelenk zurückzuführen ist. Sie können beispielsweise durch Schmerzen, Schwellungen oder Muskelverspannungen entstehen, die den natürlichen Bewegungsablauf behindern.
Funktionelle Defizite lassen sich oft durch konservative Maßnahmen wie zum Beispiel Physiotherapie, Kühlen oder entzündungshemmende Medikamente beseitigen.
Strukturelle Defizite
Strukturelle Defizite sind eine Folge von anatomischen Veränderungen oder Schädigungen. Dazu gehören Knorpelschäden, Meniskusrisse oder Bandverletzungen. Hier ist die Beweglichkeit des Knies durch mechanische Hindernisse oder durch eine Instabilität beeinträchtigt.
Die Behandlung struktureller Defizite richtet sich nach der spezifischen Ursache und kann sowohl konservativ als auch operativ erfolgen. Häufig sind Bewegungseinschränkungen durch strukturelle Defizite aber komplexer und erfordern eine Kombination aus operativen und konservativen Maßnahmen für einen optimalen Heilungsverlauf.
Nach einem Kreuzbandriss kann es sowohl strukturell als auch funktionell zu Bewegungseinschränkungen im Knie kommen. Direkt nach der Verletzung hast du wahrscheinlich Schmerzen oder eine Schwellung, die deine Beugung oder Streckung einschränken können. Gerissene Bandanteile können außerdem als mechanisches Hindernis bei der Bewegung stören. Unbehandelt verändert der Kreuzbandriss langfristig auch die Biomechanik. Dadurch kann ein strukturelles Defizit, zum Beispiel durch eine Arthrose, entstehen.
Streckdefizit im Knie
Bei einem Streckdefizit ist die Fähigkeit, das Kniegelenk vollständig durchzustrecken, eingeschränkt.
Nach einer Kreuzbandverletzung kann es aus verschiedenen Gründen zu einem Streckdefizit kommen. Eine mögliche Ursache können Narbenverklebungen oder postoperative Schwellungen sein, die die Bewegung mechanisch behindern. Aber auch Schmerzen oder eine verminderte Muskelaktivität können dazu führen, dass du dein Kniegelenk nicht mehr vollständig strecken kannst.
Wichtig: Es geht nicht darum, dass du dein Knie überstrecken musst. Wenn dein Physiotherapeut eine Streckung von 0 Grad misst, ist das kein Streckdefizit, sondern normal.
Warum ist ein Streckdefizit problematisch?
Eine fehlende Streckung im Knie ist aus verschiedenen Gründen problematisch. Sie beeinträchtigt aber vor allem dein Gangbild. Während dem ersten Fersenkontakt und der Standphase beim Gehen findet eine nahezu vollständige Streckung des Kniegelenks statt. Diese sogenannte Extension hilft dir, dich geschmeidig und energieeffizient fortzubewegen.
Bei einem Streckdefizit von zum Beispiel 10 Grad bleibt das Knie hingegen ständig leicht gebeugt – also auch in den Phasen, in denen eigentlich mehr Streckung notwendig ist.
Auf Dauer kann dies zu einer ungleichmäßigen Gewichtsverteilung, Überbelastung anderer Gelenke und letztlich zu chronischen Beschwerden und Bewegungseinschränkungen führen. Und zwar nicht nur im Knie, sondern auch in der Hüfte oder im Rücken.
Bist du selbst davon betroffen, weißt du ganz genau, wie nervig ein Streckdefizit ist. Falls nicht, probiere es einfach mal aus und versuche zu gehen, während du ein Knie immer leicht gebeugt hast. Nicht cool, oder?
Wenn ein Streckdefizit vorliegt, kommt es außerdem zu einer mangelnden Schlussrotation, die die normale Gelenkfunktion beeinträchtigt und zu einer erhöhten Gelenkabnutzung führen kann. Denn die fehlende Streckung im Knie legt mehr Druck auf die übrigen Gelenkstrukturen wie den Meniskus und den Gelenkknorpel.
Genau deshalb ist es wichtig, dass du ein Streckdefizit nach der Verletzung beziehungsweise der Kreuzband-OP behandelst. Dein Physiotherapeut gibt dir dafür normalerweise Übungen mit oder bearbeitet dein Knie manuell.
5 Übungen zur Verbesserung eines Streckdefizits
Willst du eigenständig an deinem Streckdefizit arbeiten, weil du noch keine Physiotherapie hattest? Dann sind hier 5 Übungen und Maßnahmen für zuhause:
- Richtige Lagerung (vor allem nach der Operation): Nach der OP wirst du erstmal viel Zeit auf dem Sofa oder im Bett verbringen. Währenddessen solltest du kein Kissen oder Ähnliches unter dein Knie legen, auch wenn das vielleicht etwas unangenehm ist. Du kannst dein ganzes Bein unterlagern, aber nicht nur dein Knie. Andernfalls bist du in einer ständigen Beugestellung, an die sich dein Knie gewöhnt. Das macht es nachher schwierig, die volle Streckung zu erreichen. Am besten legst du gar nichts unter dein Knie und lässt die Schwerkraft arbeiten.
- Knie in die Unterlage drücken: Für diese Übung darfst du dir ein kleines Handtuch unter das Knie legen. Drücke das Knie dann in die Unterlage, indem du die vordere Oberschenkelmuskulatur anspannst. Als Steigerung kannst du zusätzlich deine Zehenspitzen Richtung Knie ziehen. Halte diese Spannung für ein paar Sekunden und lasse dann wieder locker. Wiederhole die Übung mehrmals am Tag 10-15 Mal. Wenn du mit der Übung fertig bist, nimm das Handtuch wieder unter deinem Knie heraus.
- Kniestreckung im Stehen: Eine andere Variante der aktiven Kniestreckung kannst du auch im Stehen machen. Stelle dich dafür mit dem Rücken zur Wand und positioniere einen weichen Ball (am besten Pezziball) zwischen dir und der Wand. Die Mitte des Balls sollte auf Kniehöhe sein. Drücke nun dein betroffenes Knie in den Ball, indem du versuchst, dein Bein zu strecken. Das Prinzip ist dasselbe, wie bei der Übung davor. Wiederhole auch diese Übung mehrmals am Tag 10-15 Mal.
- Ausfallschritt: Auch eine verkürzte Wadenmuskulatur kann bei der Kniestreckung Probleme machen. Als Ergänzung zu den bereits genannten Übungen kannst du also auch hieran arbeiten. Stelle dich dazu mit dem Gesicht zur Wand und stütze dich mit den Händen ab (alternativ geht auch ein stabiler Stuhl oder Tisch). Mache mit deinem betroffenen Bein nun einen Ausfallschritt. Dieser muss nicht besonders groß sein. Es reicht, wenn du dein Bein so weit nach hinten stellst, dass die Ferse den Boden nicht mehr berührt. Mit dem anderen Bein bleibst du sicher auf dem ganzen Fuß stehen. Schiebe nun die Ferse deines betroffenen Beins Richtung Boden und strecke dabei gleichzeitig dein Knie. Halte diese Position einige Sekunden und lasse dann wieder locker. Wiederhole das Ganze 10-15 Mal.
- Kniestreckung in Bauchlage: Diese Übung ist direkt nach der OP nicht empfehlenswert beziehungsweise in den meisten Fällen sowieso schwierig. Sie eignet sich erst im weiteren Verlauf der Kreuzband-Reha, wenn ein Streckdefizit besteht. Lege dich dazu auf den Bauch. Die Füße sollten überhängen können, wenn die Beine gestreckt sind. Es ist daher sinnvoll, diese Übung auf einer Liege, im Bett oder auf dem Sofa (ohne Lehne) zu machen. Lasse die Beine nun langsam sinken, bis sie gestreckt sind und halte diese Position. Du kannst mit dem gesunden Bein auch unter das betroffene Bein einhaken und es unterstützt in die Streckung bringen.
Beugedefizit im Knie
Bei einem Beugedefizit ist die Fähigkeit, das Kniegelenk zu beugen, eingeschränkt.
Mögliche Ursachen für ein Beugedefizit können Schwellungen, Muskelverspannungen oder Schmerzen sein, die die Bewegungsfähigkeit limitieren. Weitere Gründe können Narbenbildung oder eingeklemmte Strukturen (z.B. Meniskus) sein. Zudem kann auch eine zu schnelle Belastung nach der Operation oder eine ungenügende Mobilisation während der Rehabilitation zu einem Beugedefizit führen.
Warum ist ein Beugedefizit problematisch?
Ein Beugedefizit ist aus mehreren Gründen problematisch. Wie beim Streckdefizit wird die fehlende Beugung auch beim Gehen sichtbar. Patienten, die ihr Bein in der Schwungphase nicht richtig beugen können, neigen dazu, über die Hüfte auszuweichen oder zu hinken. Außerdem kannst du bei einem Beugedefizit nur schwer Treppensteigen oder aus dem Auto ein- und aussteigen. Ebenso sind Aktivitäten wie Fahrradfahren mit einem großen Beugedefizit nahezu unmöglich.
Daneben kann ein Beugedefizit auch die Kraft und Stabilität deines Kniegelenks beeinträchtigen. Denn die betroffenen Muskeln und Bänder können ihre volle Funktionalität nicht optimal ausführen.
3 Übungen zur Verbesserung eines Beugedefizits
- Schiffchen: Setze dich mit einem Stuhl auf eine rutschige Oberfläche (z.B. Parkett). Am besten hast du zusätzlich Socken an. Strecke dein betroffenes Bein zunächst aus. Ziehe nun die Ferse Richtung Gesäß und beuge dabei dein Knie. Die Ferse bleibt konstant auf dem Boden und rutscht bzw. schleift über diesen. Halte diese Position kurz und schiebe deine Ferse dann wieder nach vorne, zurück in die Ausgangsposition. Wiederhole diese Übung 10-15 Mal, am besten mehrmals am Tag.
- Wandsitzen: Diese Übung solltest du erst machen, wenn du genügend Kraft in den Beinen hast. Lehne dich mit dem Rücken an die Wand, die Beine sind etwa hüftbreit auseinander. Beuge nun langsam die Knie und gleite an der Wand entlang nach unten, bis die Oberschenkel parallel sind. Halte diese Position für einige Sekunden und schiebe dich dann langsam wieder nach oben. Wiederhole das Ganze 10-15 Mal.
- Fahrrad fahren: Fahrrad fahren auf einem Ergometer ist eine gute Möglichkeit, um Schwellungen abzubauen und so die Beugung zu verbessern. Um Fahrrad fahren zu können, solltest du eine Beugung von etwa 110 Grad haben. Wenn du weniger Beugung hast, kannst du den Sitz höher oder die Pedale verstellen. Dann ist das Fahren auf einem Ergometer auch mit weniger Beugung möglich.
Was ist wichtiger – Beugung oder Streckung?
Beugung und Streckung sind beide wesentlich für die Ausführung vieler alltäglicher Aktivitäten. Insbesondere für eine normales Gangbild sind sie essenziell. Die Streckung ist in diesem Zusammenhang jedoch etwas wichtiger. Denn wenn ein paar Grad bis zur Streckung fehlen, fällt das beim Gehen eher auf als ein paar fehlende Grad bei der Beugung.
Die volle Streckung, oder auch Extension, ist vor allem für die Standphase wichtig. In dieser trägt das Bein dein volles Körpergewicht. Nur bei vollständiger Streckung, kann es hier eine stabile Basis für den Körper bieten und eine aufrechte Körperhaltung beim Gehen gewährleisten.
Wenn das Knie nur ein paar Grad von der vollen Streckung entfernt ist, kann sich dies als Instabilität oder Ungleichmäßigkeit im Gang bemerkbar machen. Dies kann zu einem gestörten Gangmuster, zusätzlichem Stress auf das Gelenk und eventuell sogar zu Schmerzen und weiteren Verletzungen führen.
Trotzdem solltest du auch ein Beugedefizit nicht vernachlässigen. Sie ist für alltägliche Aufgaben wie das Aufstehen von einem Stuhl oder das Aufheben von Lasten aus einer hockenden Position wichtig. Auch beim Gehen oder Treppensteigen wird die Beugung relevant. Allerdings kann hier ein gewisses Defizit bis zur maximalen Kniebeugung kompensiert werden.
Das heißt: Fehlen 5 Grad bis zur vollständigen Beugung, fällt das im Alltag weniger auf als 5 fehlende Grad zur vollen Streckung.
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Am Ende ist es wichtig, sowohl die Streck- als auch die Beugefähigkeit deines Knies zu erhalten und möglichst vollständig wiederherzustellen. Auch wenn geringe Defizite in der Beugung im Alltag leichter kompensiert werden können, sollte eine vollständige Beugung und Streckung das Ziel jeder Rehabilitation sein, um das bestmögliche funktionelle Ergebnis und eine hohe Lebensqualität zu erreichen.
Letztendlich hängt die Bedeutung von Streckung und Beugung im Knie aber auch von deinen individuellen Aktivitäten und Anforderungen ab. Beide Bewegungen sind wichtig für die reibungslose Funktion des Kniegelenks und die Fähigkeit, alltäglichen Anforderungen gerecht zu werden.
Als Tipp zum Schluss: Für die Reha sollte dein Fokus zunächst auf einer vollständigen Streckung liegen, die Beugung kommt im Verlauf der Reha meist von selbst.