Wer sich heutzutage das Kreuzband reißt, muss sich meist einer Operation unterziehen. Dabei stehen dem Chirurgen verschiedene Techniken und Verfahren zur Auswahl. Dieser Beitrag gibt dir einen genaueren Überblick über verschiedene bekannte OP-Methoden beim Kreuzbandriss.
Inhalt
Keine Medizin von der Stange
Jede Kreuzband-OP ist grundsätzlich anspruchsvoll, da das Knie ein sehr komplexes Gelenk ist. Allerdings spielen auch individuelle Faktoren eine Rolle bei der richtigen Kreuzbandriss-Behandlung. Denn jeder Patient ist anders, hat unterschiedliche biologische Voraussetzungen und andere Ansprüche an sein Kniegelenk.
Bei einer VKB-Ruptur wird deshalb schon lange nicht mehr standardmäßig gleich operiert. Vielmehr stimmen Chirurgen die verfügbaren OP-Methoden beim Kreuzbandriss auf die Bedürfnisse des Patienten ab und bieten ihm so eine möglichst individuelle Behandlung.
Zusätzlich spielen auch die Erfahrungswerte des Operateurs eine Rolle. Ein Kniechirurg, der hauptsächlich mit der Patellarsehne operiert und dabei gute Erfahrungen gemacht hat, wird dieses Transplantat den anderen gegenüber bevorzugen. Grundsätzlich gilt aber: Ein guter Arzt klärt dich über die verschiedenen Möglichkeiten auf und sucht gemeinsam mit dir nach der passenden Lösung.
Manche OP-Verfahren lassen sich dabei direkt ausschließen, da sie für dich aufgrund deiner persönlichen Voraussetzungen ungeeignet sind. Dies findest du aber nur im direkten Gespräch mit deinem Arzt heraus.
Prinzipiell werden zwei Arten von Kreuzbandoperation unterschieden: die Kreuzbandrekonstruktion (Kreuzbandersatz) und die Kreuzbandrefixation (Kreuzbanderhalt).
Kreuzbandrekonstruktion
Bei der Kreuzbandrekonstruktion wird das verletzte Band (im Regelfall) durch eine körpereigene Sehne ersetzt.
Hier stehen deshalb sowohl bei der Transplantatwahl als auch bei der OP-Methode und Fixationstechnik verschiedene Möglichkeiten zur Auswahl. Diese lassen sich, abhängig von Arzt und Patient, in unterschiedlichen Varianten kombinieren.
Transplantatwahl
Beim Kreuzbandersatz entnimmt der Arzt eine körpereigene Sehne (Autograft) und setzt diese an Stelle des gerissenen VKBs wieder ein. Drei Sehnen eignen sich dafür:
- Semitendinosus / Gracilis
- Patellarsehne
- Quadrizepssehne
In ausgewählten Einzelfällen kann auch ein Kunststoffband als Kreuzbandersatz zum Einsatz kommen. Diese kommen allerdings nur für zwei Personengruppen infrage. Zum einen Sportler, bei denen bereits mehrere Operationen fehlgeschlagen sind. Das Kunststoffband dient hier als eine Art Prothese. Zum anderen bei älteren und sportlich aktiven Menschen mit instabilen Kniegelenken, deren eigene Sehnen nicht gut genug sind.
Bei Patienten mit mehreren fehlgeschlagenen Operationen oder erneuten VKB-Rupturen kann außerdem ein Allograft eine Möglichkeit sein. Dabei handelt es sich um eine Spendersehne.
OP-Verfahren
Auch beim OP-Verfahren stehen dem Chirurgen mehrere Möglichkeiten zur Auswahl. Die bekanntesten sind Single-Bundle-, Double-Bundle- und All-inside-Technik, die dir bei deiner Kreuzband-Recherche immer mal wieder begegnen werden. Deshalb gehe ich im Beitrag auch nur auf diese ein.
Single-Bundle-Technik
Die Single-Bundle-Technik (Einzelbündeltechnik) stellt aktuell den Goldstandard in der Kreuzbandchirurgie dar. Hier werden zwei Bohrkanäle, einmal im Ober- und einmal im Unterschenkel, gelegt und das Sehnentransplantat durch diese fixiert.
Problem dieser Methode ist, dass die Rekonstruktion die anatomischen Gegebenheiten des vorderen Kreuzbandes nicht richtig wiedergeben kann. In den letzten Jahren kamen deshalb Zweifel auf, ob die Single-Bundle-Technik ausreichend für ein erfolgreiches OP-Ergebnis ist. Immer häufiger ist deshalb von der Double-Bundle-Technik die Rede.
Double-Bundle-Technik
Zum Verständnis musst du wissen, dass das vordere Kreuzband aus einem anteromedialen (AM-) und einem posterolateralen (PL-) Bündel besteht. Beide Bündel zeigen bei Beugung und Streckung ein unterschiedliches Spannungsverhalten.
Die Doppelbündeltechnik soll dieses Verhalten sowie die ursprüngliche Positionierung des VKB im Kniegelenk anatomisch gesehen besser nachempfinden.
Dafür werden insgesamt vier Bohrkanäle (jeweils zwei im Ober- und im Unterschenkel) angelegt und die zwei Sehnentransplantate als getrennte Bündel befestigt.
Als Weiterentwicklung der Single-Bundle-Technik konnte die Double-Bundle-Technik in gelenkkinematischen Studien überzeugen und seine biomechanischen Vorteile gegenüber der Einzelbündelrekonstruktion zeigen. Dennoch sind die Vorteile nicht so enorm, dass sich die Doppelbündelrekonstruktion als neuer Standard etabliert hat.
Zudem hat diese OP-Methode auch einige Nachteile. Zum einen bedeutet die Double-Bundle-Technik einen größeren operativen Aufwand (Zeit, Material, Kosten, Transplantate). Zum anderen besteht durch die höhere Komplexität eine größere Gefahr von Komplikationen. Aufgrund der großen Knochendefekte (durch die vier Bohrkanäle) sind Revisionseingriffe außerdem schwieriger.
Darüber hinaus ist die Double-Bundle-Technik nicht für alle Patienten geeignet. Relative Kontraindikationen sind:
- offene Wachstumsfugen
- Multiligamentverletzungen
- sehr kleine Kniegelenke
- Rezidivinstabilität nach Einzelbündelrekonstruktion
Die Double-Bundle-Technik ist somit für Kinder und Jugendliche ungeeignet. Und auch für Patienten mit komplexeren Knieverletzungen (d.h. keine isolierte VKB-Ruptur) ist die Doppelbündelrekonstruktion keine Option.
All-inside Technik
Bei der All-inside Technik handelt es sich nicht um eine Alternative zur Single- oder Double-Bundle-Technik. Vielmehr ist es eine schonendere Weiterentwicklung der Einzelbündelkonstruktion, bei der das Gelenk nicht mehr geöffnet werden muss.
Abgesehen von den minimalen Hautschnitten der Arthroskopie, die als Zugänge zum Knie dienen, gibt es somit keine weiteren Öffnungen mehr. Das heißt, auch die Bohrkanäle werden „all inside“ angelegt und es findet keine Durchbohrung des Knochens von außerhalb mehr statt. Stattdessen werden die Knochenkanäle in Form von Sacklöchern von innen nach außen gebohrt. Für Patienten bedeutet das einen geringeren Knochenverlust und eine bessere Gewebeschonung. Häufig sind auch die Schmerzen nach der OP bei der All-inside Technik geringer.
Zwar wird diese OP-Methode noch nicht von allen Kniechirurgen angewandt. In geübten Händen zeigt sie jedoch sehr gute Erfolge.
Fixationsmethoden
Damit dein neues Kreuzband hält, muss der Chirurg es während der Operation fixieren. Auch dafür haben sich inzwischen verschiedene Techniken etabliert.
Interferenzschrauben
Interferenzschrauben zählen zu den ältesten Verankerungsimplantaten in der VKB-Chirurgie. Die Implantate aus reinem Metall / Titan wurden hauptsächlich für die Fixation von Patellarsehnentransplantaten eingesetzt. Mit der Tendenz hin zu anderen Sehnen wurden neuartige Interferenzschrauben aus resorbierbaren Materialien beliebter.
Vorteil der resorbierbaren Bio-Interferenzschrauben ist, dass diese nicht entfernt werden müssen und eine artefaktfreie MRT-Bildgebung möglich ist. Das bedeutet, bei einem MRT kommt ein sauberes Bild heraus, das der Radiologe auswerten kann. Sind hingegen Metallstücke vorhanden, werden diese als helle Flecken auf dem MRT angezeigt, was eine zukünftige Diagnostik erschwert.
Endobutton
Endobuttons werden zwar generell zur Fixation eines Bandes oder einer Sehne genutzt. Hauptsächlich kommen sie aber bei der femoralen Fixation (d.h. im Oberschenkelknochen) einer Kreuzbandplastik zum Einsatz.
Hierbei wird das Transplantat mit einer Schlaufe aus einem nichtresorbierbaren Faden mit einem Titan-Kipp-Knopf (Button) verbunden. Der Operateur zieht diesen Verbund dann mithilfe eines Zugfadens durch den in den Oberschenkelknochen gebohrten Kanal. Mit einem Kippfaden wird der Button dann so verankert, dass die Kreuzbandplastik nicht zurückfallen kann.
Implantatfreie Fixation (All Press Fit)
Alle etablierten Sehnentransplantate (Semitendinosus-, Patellar-, Quadrizepssehne) lassen sich auch implantatfrei verankern. Patellar- sowie Quadrizepssehne werden mit anhängenden Knochenblöcken entnommen, die in entsprechend unterdimensionierte Implantationskanäle eingepresst werden. Du kannst dir das wie einen Korken vorstellen, der eine Flasche verschließen soll. Auch bei freien Sehnentransplantaten (d.h. solche ohne anhängende Knochenblöcke) kommt die All-Press-Fit-Technik zum Einsatz. Diese werden über Knochendübel, die aus den Implantationskanälen gewonnen werden, „press fit“ und somit ohne Schrauben, Buttons oder Pins fixiert.
Kreuzbanderhaltende Techniken
Neben einer Kreuzbandrekonstruktion ist auch die Kreuzbandnaht beziehungsweise Refixation eine der OP-Methoden beim Kreuzbandriss. Hier wird das gerissene Band nicht durch eine körpereigene Sehne ersetzt, sondern wieder zusammengenäht oder so fixiert, dass es von selbst heilen kann.
Die bekanntesten Verfahren beim Kreuzbanderhalt sind Ligamys® von Mathys und InternalBrace™ von Arthrex. Sie sind vor allem für Patienten mit einer proximalen Ruptur geeignet, da sie ein hohes Heilungspotenzial im Vergleich zu anderen Rupturtypen haben. Proximal („zur Körpermitte gelegen“) heißt in diesem Zusammenhang, dass das Kreuzband nahe am Oberschenkel reißt.
Ligamys®
Ligamys® ermöglicht die dynamische intraligamentäre Stabilisierung (DIS) des Kreuzbandes. Konkret heißt das: Dein Kreuzband wird für eine gewisse Zeit durch ein Implantat (bestehend aus Faden, Metallplättchen und Metallhülse) geschient und auf diese Weise stabilisiert. Dadurch soll die Selbstheilung des gerissenen vorderen Kreuzbandes ermöglicht werden.
InternalBrace™
Auch Arthrex hat die Idee von biokompatiblen Materialien als innere Schienung bei Bandverletzungen umgesetzt und sein InternalBrace™-System entwickelt. Wie bei Ligamys® fixiert der Operateur auch hier ein Fadensystem am gerissenen Kreuzband und ermöglicht damit die Selbstheilung des VKB.
Besser als Kreuzbandrekonstruktion?
Ergebnisse aus älteren Studien haben zwar gezeigt, dass die Ergebnisse beim Kreuzbanderhalt oft ungenügend oder nicht überzeugend sind. Durch die Fortschritte in der Kniechirurgie hat die Thematik aber wieder an Fahrt aufgenommen.
Aus eigener Erfahrung kann ich dir nichts über den Erfolg einer Kreuzbandrefixation sagen, da es bei mir allein zwei Monate bis zur Diagnose gedauert hat.
Kreuzbanderhaltende Techniken sind allerdings nur für die akute Versorgung einer VKB-Ruptur geeignet, da das Heilungspotenzial eines gerissenen Kreuzbandes mit der Zeit nachlässt.
Für einen Kreuzbanderhalt muss die Operation also zeitnah (d.h. innerhalb von 3-4 Wochen nach der Verletzung) erfolgen.
Wesentlich für den Erfolg einer kreuzbanderhaltenden OP sind – neben der zeitnahen Versorgung – die Art der Ruptur und die Gewebequalität. Sind diese in deinem Fall günstig, kommt das Internal Bracing für dich vielleicht infrage. Liegst du also innerhalb der zeitlichen Frist, lohnt es sich, deinen behandelnden Arzt zu fragen. Denn am Ende kann nur er die richtige Empfehlung bezüglich der geeigneten Kreuzbandriss-Behandlung geben.
OP-Methoden beim Kreuzbandriss nicht allein entscheidend
Letztlich handelt es sich bei den verschiedenen OP-Methoden beim Kreuzbandriss um Medizinprodukte, die entweder schonender sind oder eine schnellere Kreuzband-Reha versprechen. Für dich ist es deshalb erstmal zweitrangig, wie dein Arzt die Bohrkanäle setzt oder das Transplantat fixiert.
Es ist dennoch von Vorteil, wenn du zumindest eine grundsätzliche Ahnung der verschiedenen Optionen hast und weißt, dass es die Möglichkeit einer Rekonstruktion und einer Refixation gibt. Dein Arzt wird dich im Gespräch aufklären und mögliche Kontraindikationen mit dir durchgehen, die für oder gegen den Einsatz einer bestimmten OP-Methode, Fixationstechnik etc. sprechen.
Unabhängig von der gewählten OP-Methode ist besonders die Reha nach der Kreuzbandoperation entscheidend. Komplikationen nach der Operation können das Ergebnis zwar beeinflussen, aber letztlich sorgt vor allem die richtige Kreuzband-Reha dafür, ob du auf dein ursprüngliches Leistungsniveau zurückkehrst oder nicht.
Ich habe in diesem Beitrag nur die bekanntesten und am meisten eingesetzten Methoden erwähnt beziehungsweise die, die mir nach meinem Kreuzbandriss selbst am häufigsten begegnet sind. Der Artikel stellt somit keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da ich sehr wohl weiß, dass es noch weitere OP-Methoden und Fixationstechniken gibt, die aber teilweise nur von einigen wenigen Spezialisten durchgeführt werden. Er soll dir lediglich einen grundsätzlichen Überblick über die Möglichkeiten geben.