Nach einer Kreuzbandverletzungen sind Knieschmerzen ganz normal. Manchmal schmerzt aber auch die Hüfte nach der Ruptur. Hast du selbst Hüftschmerzen nach dem Kreuzbandriss, kann das verschiedene Ursachen haben.
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So hängen Hüfte und Knie zusammen
Das Hüftgelenk ist die Verbindung zwischen Rumpf und Bein. Als Kugelgelenk ist es sehr beweglich, die Beweglichkeit wird durch starke Bänder allerdings eingeschränkt. Das ist auch wichtig. Denn deine Hüfte muss im Stehen nahezu dein gesamtes Körpergewicht tragen. Entsprechend stabil muss das Gelenk deshalb auch sein.
Biomechanisch spielt die Hüfte auch für das Knie eine wichtige Rolle. Hüfte, Knie und Sprunggelenk liegen bei normalen Achsenverhältnissen auf einer geraden Linie, der sogenannten Mikulicz-Linie. Im Idealfall läuft diese Linie durch die Mitte des Kniegelenks. Belastungen werden dann gleichmäßig auf das Knie verteilt.
Weicht die Kniegelenksmitte hingegen nach außen (lateral) von dieser Linie ab, kommt es zu einem O-Bein. Ein Abweichen nach innen (medial) bedeutet wiederum ein X-Bein. Diese Fehlstellungen der Beinachse führen zu veränderten Gewichtsbelastungen, wodurch die Knorpelflächen im Kniegelenk unterschiedlich abgenutzt werden. Auf Dauer kann dies zu Knorpelschäden bis hin zu Arthrose führen.
Die Ursachen einer Beinachsenfehlstellung sind vielfältig und können zum Beispiel angeboren oder durch einen Unfall beziehungsweise eine Erkrankung entstanden sein. Für dich ist in diesem Zusammenhang nur wichtig, zu wissen, dass auch die Hüfte eine Ursache für eine Fehlstellung sein und damit direkten Einfluss auf deine Kniegesundheit haben kann.
Hüfte als Risikofaktor für einen Kreuzbandriss?
Das heißt, auch bei einem Kreuzbandriss kann die Hüfte beteiligt sein. Denn Bewegungseinschränkungen oder mechanische Veränderungen der Hüfte führen zu einer abnormalen Kinematik. Dadurch kann sich das Verletzungsrisiko für das Knie erhöhen.
Studien[1]Bhatia, Sanjeev & Chahla, Jorge & Cinque, Mark & Ellman, Michael. (2018). Recovery of Hip Muscle Strength After ACL Injury and Reconstruction: Implications for Reducing the Risk of … Continue readinghaben diesbezüglich ergeben, dass insbesondere eine Schwäche der Hüftrotatoren das Risiko für einen Kreuzbandriss erhöhen kann. Bei schnellen Drehungen oder Landungen führt diese Schwäche zu einem erhöhten Valgusmoment, also einer verstärkten X-Bein-Stellung, die im ungünstigsten Fall zu einer VKB-Ruptur führt.
Wichtig: Auch wenn mehrere Studien einen Zusammenhang zwischen einer schwachen Hüftmuskulatur und dem Risiko einer Kreuzbandruptur erkennen lassen, ist sie nicht die alleinige Ursache für einen Kreuzbandriss.
Die Bedeutung der Hüftmuskulatur für ökonomische Bewegungsabläufe und damit auch für ein gesundes Knie ist aber bekannt. Auch deshalb ist das Training der Hüfte Bestandteil einer guten Kreuzband-Reha. Im Fokus stehen hier insbesondere die bereits erwähnten Hüftrotatoren, die das Risiko einer Valgusstellung im Knie bei sportlichen Aktivitäten minimieren sollen.
3 mögliche Ursachen für Hüftschmerzen nach dem Kreuzbandriss
Du kennst jetzt die Bedeutung der Hüfte für dein Knie. Hast du Hüftschmerzen nach dem Kreuzbandriss, solltest du der Ursache deshalb möglichst auf den Grund gehen. Die Schmerzen können nämlich verschiedene Ursachen haben.
1) Muskuläre Defizite
Treten die Hüftschmerzen in der ersten Zeit nach der Kreuzband-OP auf, sind womöglich muskuläre Defizite die Ursache. Schließlich verlierst du nach der Operation einiges an Muskelmasse, die du erst wieder auftrainieren musst.
Durch die fehlende Muskulatur ist es möglich, dass du dir gewisse Fehlhaltungen oder Ausweichbewegungen aneignest, die zum Beispiel zu einem schlechten Gangbild führen und somit zu Schmerzen führen.
In diesem Fall ist es wichtig, dass du Geduld hast, weiter am Muskelaufbau arbeitest und dir eventuelle Fehlhaltungen (am besten mithilfe deines Therapeuten) wieder abgewöhnst.
Die muskuläre Dysbalance lässt sich mit dem richtigen Training dann in der Regel beseitigen, so dass du langfristig keine Hüftprobleme oder Schmerzen mehr haben solltest. Wichtig beim Training ist natürlich auch, dass du die Trainingsbelastung dosiert steigerst und dich nicht überlastest.
2) Überlastung
Denn eine weitere mögliche Ursache für Hüftschmerzen nach dem Kreuzbandriss ist eine Überlastung. Nach der Kreuzband-OP wirst du womöglich erstmal viel Zeit auf dem Sofa oder im Bett verbringen. Allein das kann schon zu Schmerzen in der Hüfte führen, wenn du das vorher nicht gewöhnt warst.
Ebenso darfst du nicht vergessen, dass sich dein Körper relativ schnell an die Nicht-Belastung gewöhnt und es erst wieder einige Zeit dauert, bis sich deine Muskulatur an den steigenden Bewegungsumfang angepasst hat.
3) Impingement der Hüfte
Bei hartnäckigen Schmerzen, die vielleicht erst nach Monaten auftreten und dann auch nicht mehr ganz verschwinden, kann eine knöcherne Deformität der Hüfte schuld sein. Meist steckt dahinter ein Impingement, bei dem es zwischen Gelenkkopf und Gelenkpfanne zu einer Engstelle kommt.
Der vollständige medizinische Begriff dafür lautet femoroazetabuläres Impingement und wird mit FAI abgekürzt. Er setzt sich aus den lateinischen Bezeichnungen Femur für den Oberschenkelknochen und Acetabulum für die Hüftgelenkspfanne zusammen.
Ursächlich für ein Hüftimpingement ist entweder eine veränderte Form oder Position der Hüftpfanne oder eine Formveränderung des Hüftkopfes. Je nachdem werden deshalb zwei Formen des Hüftimpingements unterschieden: das Beißzangen- beziehungsweise Pincer-Impingement und das Nockenwellen- beziehungsweise Cam-Impingement.
Beide können entweder angeboren sein oder durch einen Unfall beziehungsweise eine Erkrankung entstehen.
Pincer-Impingement
Bei einem Pincer-Impingement ist die Gelenkpfanne zu weit nach vorne geneigt oder zu tief ausgeformt. Dadurch kann die Hüftpfanne den Hüftkopf nicht (mehr) richtig umschließen. Insbesondere bei einer Abduktion (also einem Abspreizen) des Beins schlägt der Bereich zwischen Hüftkopf und Schenkelhals an den vorstehenden äußeren Hüftpfannenrand an.
Cam-Impingement
Ist hingegen der Hüftkopf verformt, spricht man von einem Cam-Impingement. Dabei kommt es zu einer knöchernen Erhebung zwischen Hüftkopf und Schenkelhals.
Bei einer starken Beugung oder Drehung im Hüftgelenk nähert sich der Gelenkkopf dem äußeren Rand der Gelenkpfanne an. Der dort liegende Gelenkknorpel und die Gelenklippe (Labrum) werden hierbei eingeklemmt und gereizt. In der Folge kann es zu einem vorzeitigen Verschleiß oder einer Beschädigung des Labrums kommen.
Auch wenn beide Formen unabhängig voneinander auftreten können, besteht in 80 Prozent der Fälle eine Mischform aus Pincer- und Cam-Impingement.
Symptome und Beschwerden
Hattest du bereits in der Vergangenheit Schmerzen in der Leiste, kann dies ein erster Hinweis auf ein Impingement der Hüfte gewesen sein. Neben Leistenschmerzen sind auch Schmerzen an der Außenseite der Hüfte und bei langem Sitzen Anzeichen für ein Hüftimpingement.
Während die Schmerzen anfänglich nur bei starken Belastungen auftreten, lösen bei fortgeschrittener Erkrankung schon leichte Belastungen Schmerzen aus.
Diagnostik
Ob ein Impingement vorliegt, lässt sich relativ einfach feststellen. Zum einen kann dein Arzt die Beweglichkeit deiner Hüfte testen, zum anderen geben bildgebende Verfahren (Röntgen und MRT) in der Regel Aufschluss über die knöcherne Veränderung.
Wie lässt sich ein Hüftimpingement behandeln?
Die Behandlung eines Hüftimpingements richtet sich nach der Ursache, Patientenalter, Beschwerden und eventuell bereits vorhandenen Schäden am Gelenk.
Konservative Therapie
Da die Schmerzen oft durch bestimmte sportliche Belastungen ausgelöst werden, reicht eine Sportpause als erste Therapiemaßnahme oft aus, um das Gelenk zu beruhigen. Allerdings kann es sein, dass du auf bestimmte sportliche Aktivitäten wie Fußball oder Joggen in Zukunft verzichten musst, wenn du dein Hüftgelenk nicht weiter schädigen möchtest.
Bei schmerzhaften Reizungen helfen außerdem entzündungshemmende Wirkstoffe wie Ibuprofen oder Diclofenac, die du über einen kurzen Zeitraum einnehmen kannst.
Eine Behandlung mit Spritzen wird hingegen nur in Ausnahmefällen bei anhaltenden Schmerzen durchgeführt. Mit dem Gemisch aus örtlichem Betäubungsmittel und gering dosierten Kortisonpräparat wird allerdings nur der Reizzustand, nicht aber die Ursache behandelt.
Operative Therapie
Willst du die eigentliche Ursache des Hüftimpingements behandeln, hilft nur eine Operation. Denn Form und Lage von Hüftkopf oder Hüftpfanne lassen sich nicht konservativ behandeln. Gerade bei jüngeren und sportlich aktiven Menschen ist die OP daher eine ernsthafte Alternative, die mit dem Arzt besprochen werden sollte.
Dabei werden knöcherne Veränderungen und die Gelenklippe abgefräst und geglättet. So wird ein zukünftiges Einklemmen im Hüftgelenk verhindert.
Stopp! Was du vor der Operation zuerst versuchen solltest
Eine Operation sollte immer erst die letzte Option und deshalb gut überlegt sein. Denn eine Operation am Gelenk verspricht nicht immer eine Besserung, sondern kann eventuell auch weitere Verschlechterungen nach sich ziehen. Natürlich kann niemand außer du und dein Arzt deinen individuellen Fall beurteilen. Ein guter Arzt versucht aber auch zunächst eine konservative Lösung zu finden, um deine Beschwerden zu lindern.
Gerade nach einem Kreuzbandriss kann nämlich auch eine zu starke vordere Beckenkippung die Schmerzen durch das Hüftimpingement verstärken. Wenn du also bereit bist, auf gewisse sportliche Aktivitäten, die deine Hüfte stark belasten, zu verzichten, solltest du zunächst deine Bauchmuskulatur sowie deine Oberschenkelrückseite trainieren.
Durch die Stärkung dieser Muskelpartien kannst du die zu starke Beckenkippung abschwächen, die das Engstellenproblem häufig verstärkt. Gerade wenn du vor deiner Knieverletzung noch keine Probleme mit der Hüfte hattest, solltest du dich also zunächst auf ein gezieltes Training von Rumpf und Oberschenkelrückseite konzentrieren.
Falls deine Hüftschmerzen nach dem Kreuzbandriss dadurch nicht weggehen oder zumindest weniger werden, solltest du mit deinem Arzt deine weiteren Optionen, und damit auch das Thema Operation, durchsprechen. In deinem individuellen Fall kann diese gegebenenfalls die richtige Entscheidung sein.
Quellen und weiterführende Links[+]
↑1 | Bhatia, Sanjeev & Chahla, Jorge & Cinque, Mark & Ellman, Michael. (2018). Recovery of Hip Muscle Strength After ACL Injury and Reconstruction: Implications for Reducing the Risk of Reinjury: Causes, Impacts, and Conditioning Programs. 10.1007/978-3-662-56558-2_12. |
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