Eine falsche Bewegung, ein lautes Knacken und auf einmal ändert sich alles. Ein Riss des vorderen Kreuzbandes ist schnell passiert. Doch warum eigentlich und was sind die Risikofaktoren für einen Kreuzbandriss?
Inhalt
Die 3 Entstehungsarten von Kreuzbandrissen
Von einem Kreuzbandriss sind vor allem junge und aktive Menschen betroffen, die eine Sportart betreiben, bei der es zu häufigen Richtungswechseln, Sprüngen und Geschwindigkeitswechseln kommt.
Das sind zum Beispiel Fußball, Basketball oder Volleyball.
Grundsätzlich werden drei Entstehungsarten von Kreuzbandrissen unterschieden:
- direkter Kontakt
- indirekter Kontakt
- ohne Kontakt (d.h. durch eine falsche Bewegung)
Mit 70 % kommen Kreuzbandrisse ohne Kontakt am häufigsten vor. Dabei entstehen durch eine falsche Bewegung Kräfte im Körper des Betroffenen, denen das Kreuzband nicht standhalten kann.
Ein typisches Verletzungsmuster ist ein plötzlicher Richtungs- und Geschwindigkeitswechsel bei einem fest aufgesetzten Fuß[1]Wetters N, Weber AE, Wuerz TH, Schub DL, Mandelbaum BR. Mechanism of Injury and Risk Factors for Anterior Cruciate Ligament Injury. Operative Techniques in Sports Medicine. 2015 Oct 17..
Du kannst dir das zum Beispiel so vorstellen
Du verteidigst deinen Gegenspieler beim Fußball. Dieser will dich ausdribbeln und versucht links mit Tempo an dir vorbeizukommen. Du warst jedoch in einer Rückwärtsbewegung mit einer Tendenz nach rechts.
Durch die unvorhergesehene Bewegung des Gegenspielers, versuchst du nun, schnell deine Richtung zu wechseln (also eher nach links). Weil du deine Belastung aufgrund der vorherigen Rückwärtsbewegung aber auf dem rechten Fuß hast, bleibt dieser auf dem Boden, während sich dein Körper schon nach links bewegt.
Dein Knie knickt in der Folge nach innen, es entsteht ein Valgus-Moment und die Belastung auf das Kreuzband wird so hoch, dass es reißt.
Weitere häufige Verletzungsmuster sind Sprünge, bei denen der Betroffene falsch landet. Ich selbst habe dieses Muster schon häufiger beobachtet. Von außen sieht das meist relativ unscheinbar aus.
Bei einer falschen Landung oder wenn der Spieler zum Beispiel in einem Loch im Rasen landet (was beim Amateurfußball ja durchaus häufiger vorkommen kann), kommt es allerdings auch immer wieder zu einem Valgus-Moment, in dessen Folge ein Kreuzband reißen kann.
Auch schnelle Drehungen oder Geschwindigkeitsänderungen stellen ein Risiko für das Kreuzband dar.
Natürlich kann es auch beim Zweikampf zu einem Riss des vorderen Kreuzbandes kommen. Diese machen rund 30 % der Kreuzbandverletzungen aus. In diesen Fällen kommt ein direkter Schlag oder Tritt auf das Knie. Durch diese traumatische Krafteinwirkung reißen neben der Kreuzband häufig auch weitere Strukturen im Knie.
Kreuzbandriss Risikofaktoren: Diese Ursachen begünstigen eine Ruptur
Es gibt nicht die eine Ursache für einen Kreuzbandriss. Allerdings gibt es bestimmte Faktoren, die einen VKB-Ruptur begünstigen können und auf die sich viele Knieverletzungen zurückführen lassen.
Risikofaktoren für einen Kreuzbandriss sind sowohl umgebungsbedingte (externe) als auch anatomische (interne) Faktoren.
Zu den externen Risikofaktoren gehören die Wettbewerbsumgebung, das Schuhwerk und der Untergrund sowie die Wetterbedingungen. Interne Faktoren haben eine anatomische, hormonelle oder neuromuskuläre Ursache.
Externe Kreuzbandriss Risikofaktoren
Wettbewerb im Spiel vs. im Training
Es ist relativ wenig darüber bekannt, welchen Einfluss die Wettkampfart auf das Kreuzbandriss-Risiko hat. Eine Studie von Myklebust et al[2]Olsen OE, Myklebust G, Engebretsen L, Bahr R. Injury mechanisms for anterior cruciate ligament injuries in team handball: a systematic video analysis. The American journal of sports medicine. 2004 … Continue reading geht allerdings davon aus, dass Sportler in einem Spiel einer höheren Gefahr ausgesetzt sind, einen Kreuzbandriss zu erleiden.
Ich selbst kenne auch niemanden, der sich sein Kreuzband im Training gerissen hat, sondern bei jedem (inklusive bei mir selbst) ist es im Spiel passiert.
Das heißt natürlich nicht, dass es nicht auch im Training zu einem Kreuzbandriss kommen kann. Allerdings ist das eher die Ausnahme. Denn im Training zieht man eher mal zurück und geht nicht mit 110 Prozent in jeden Zweikampf.
Schließlich möchte man weder sich noch seine Mitspieler verletzen, wenn es um keine Punkte geht.
Schuhwerk und Spieluntergrund
Obwohl das entsprechende Schuhwerk auch die Leistung verbessern kann, erhöht es auch das Risiko einer Kreuzbandverletzung. Eine Studie von Lambson et al[3]Lambson RB, Barnhill BS, Higgins RW. Football cleat design and its effect on anterior cruciate ligament injuries: a three-year prospective study. The American journal of sports medicine. 1996 … Continue reading fand heraus, dass das Ruptur-Risiko höher ist bei Fußballern, die eine höhere Anzahl von Stollen haben, da sich dadurch auch der Drehwiderstand erhöht.
Auch deshalb kommt es häufiger zu Verletzungen auf Kunstrasen im Vergleich zu normalem Rasen.
Wetterbedingungen
Bei Sportarten, die im Freien stattfinden, spielen auch die Wetterbedingungen eine Rolle für das Verletzungsrisiko. Auch wenn relativ wenig darüber bekannt ist, welchen Einfluss die verschiedenen Variablen auf das Risiko einer Kreuzbandverletzung haben, geht man davon aus, dass das Wetter letzlich auch eine Rolle spielt.
Eine Untersuchung von Orchard et al[4]Orchard J, Seward H, McGivern J, Hood S. Intrinsic and extrinsic risk factors for anterior cruciate ligament injury in Australian footballers. The American journal of sports medicine. 2001 … Continue reading fand heraus, dass Verletzungen beim Australian Football häufiger waren in Zeiten von wenig Regen und hoher Verdunstung.
Die Studie stellt die Hypothese auf, dass die Wetterbedingungen einen direkten Einfluss auf die mechanische Schnittstelle zwischen Schuhe und zu spielendem Untergrund haben. In der Folge wirkt sich das wiederum auf die Wahrscheinlichkeit einer Ruptur aus.
Interne Kreuzbandriss Risikofaktoren
Anatomische Risikofaktoren
Eine abnorme Körperhaltung und Ausrichtung der unteren Extremitäten können das Ruptur-Risiko deutlich erhöhen. Das können zum Beispiel eine verstärkte X-Bein-Stellung oder Fußfehlstellungen wie Senk-, Platt- oder Spreizfüße sein.
Auch Frauen haben aufgrund ihrer Anatomie ein zwei- bis viermal höheres Risiko als Männer, einen Kreuzbandriss zu erleiden. Insgesamt sorgt eine „suboptimale“ Anatomie nämlich zu erhöhten VKB-Belastungswerten.
Muskuläre Dysbalance
Auch muskuläre Dysbalancen (also Ungleichgewichte) sorgen für ein erhöhtes Kreuzbandriss-Risiko. Vor allem ein Ungleichgewicht zwischen vorderer und hinterer Oberschenkelmuskulatur bedingt eine erhöhte Gefahr für das vordere Kreuzband. Häufig ist diese muskuläre Dysbalance auch die Ursache für eine Re-Ruptur.
Schlechte Koordination
Eine schlechte Koordination und neuromuskuläre Kontrolle stellt einen weiteren internen Kreuzbandriss Risikofaktor dar. Das Problem hierbei ist, dass dein Körper nicht weiß, wie er in bestimmten Situationen reagieren soll und dadurch ungünstige Körperhaltungen entstehen, die eine VKB-Ruptur begünstigen.
Frühere Verletzungen
Auch frühere Verletzungen, zum Beispiel am Sprunggelenk, können einen Kreuzbandriss begünstigen, weil diese etwa nicht richtig ausgeheilt sind und dem Knie dadurch so nicht genug Stabilität geben. Persönlich habe ich es bereits mehrfach beobachtet, dass sich Fußballer das Kreuzband gerissen haben, wenn sie zuvor eine Verletzung am Sprunggelenk hatten.
Bei mir selbst war es genauso. Das heißt natürlich nicht, dass du bei jedem Bänderriss im Fuß ab sofort Angst haben musst, dein Kreuzband zu reißen.
Es zeigt dir aber, wie wichtig das Zusammenspiel der verschiedenen Gelenke ist, um einen optimalen Bewegungsablauf und damit einen Schutz vor Verletzungen zu gewährleisten.
Wie reißt ein Kreuzband: Den Verletzungsmechanismus verstehen und vorbeugen
Da gut drei Viertel der Kreuzbandverletzungen in Situationen ohne Kontakt auftreten, ist es wahrscheinlich, dass sich das Risiko einer Ruptur durch eine entsprechende Prävention reduzieren lässt.
Vor allem das bereits erwähnte Valgus-Moment, das durch schnelle Richtungswechsel und Geschwindigkeitsänderungen oder bei der falschen Landetechnik entsteht, lässt sich vermeiden.
Diese Valgusstellung wird nämlich durch eine Schwäche der Hüftrotatoren und eine verminderte Rumpfstabilität unterstützt.
Darüber hinaus sind Risikoathleten häufig quadrizepsdominant und die ischiocrurale Muskulatur (Muskeln der Oberschenkelrückseite) ist im Vergleich zu schwach.
Mit Sprungtests und einbeinigen Kniebeugen können Risikoathleten identifiziert werden, um gezielt an diesen Schwächen zu arbeiten. Natürlich ist das am Ende aber trotzdem keine Garantie, der vor einem Kreuzbandriss schützt, da auch Faktoren hineinspielen, die sich nicht beeinflussen lassen.
Das Risiko lässt sich dadurch aber deutlich reduzieren.
Das macht ein gezieltes Training von Hüftrotatoren und Rumpf auch für die Kreuzband-Reha relevant. Denn hier geht es nicht nur um die Wiedererlangung der Alltagsfähigkeit und langfristige Rückkehr zum Sport nach Kreuzbandriss, sondern auch um die Vermeidung einer erneuten VKB-Ruptur.
Quellen und weiterführende Links[+]
↑1 | Wetters N, Weber AE, Wuerz TH, Schub DL, Mandelbaum BR. Mechanism of Injury and Risk Factors for Anterior Cruciate Ligament Injury. Operative Techniques in Sports Medicine. 2015 Oct 17. |
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↑2 | Olsen OE, Myklebust G, Engebretsen L, Bahr R. Injury mechanisms for anterior cruciate ligament injuries in team handball: a systematic video analysis. The American journal of sports medicine. 2004 Jun;32(4):1002-12. |
↑3 | Lambson RB, Barnhill BS, Higgins RW. Football cleat design and its effect on anterior cruciate ligament injuries: a three-year prospective study. The American journal of sports medicine. 1996 Mar;24(2):155-9. |
↑4 | Orchard J, Seward H, McGivern J, Hood S. Intrinsic and extrinsic risk factors for anterior cruciate ligament injury in Australian footballers. The American journal of sports medicine. 2001 Mar;29(2):196-200. |