Der Functional Movement Screen ist ein einfacher Test für Physiotherapeuten und Trainer, um Bewegungsstörungen zu erkennen. Gerade nach einer Verletzung kann er dir helfen, mögliche Schwachstellen zu identifizieren, um eine sicherere Rückkehr zum Sport zu ermöglichen.
Inhalt
Was ist der Functional Movement Screen?
Der Functional Movement Screen ist eine Testbatterie aus insgesamt sieben Übungen, mit denen sich funktionelle Bewegungsmuster bei Sportlern ermitteln lassen. Er wurde in den 1990ern von Gray Cook und Mike Boyle entwickelt und ist das Ergebnis ihrer jahrelangen Erfahrung in der Betreuung von Patienten mit orthopädischen Verletzungen.
Cook und Boyle haben den FMS entwickelt, um Asymmetrien, Einschränkungen oder Schwachstellen bei der Beweglichkeit und Stabilität von Sportlern zu erkennen. Idee ist es, diese anschließend mit einem gezielten Training zu beheben, bevor sie zu einer Verletzung führen.
Über die Jahre hat sicher aber gezeigt, dass der FMS nicht nur ein gutes Werkzeug ist, um das künftige Verletzungsrisiko vorherzusagen. Der Functional Movement Screen ist auch nützlich, um Athleten nach einer Verletzung wieder in den Sport zurückzuführen.
Für den Functional Movement Screen gibt es ein Test-Kit der gleichnamigen Marke. Theoretisch kannst du dir dieses aber auch selbst mit Besenstielen, Schnüren und einem Maßband basteln. Du kannst auch deinen Physiotherapeuten oder Trainer im Fitnessstudio darauf ansprechen. Eventuell verfügen diese über ein Test-Kit und können den FMS mit dir durchführen.
Bewertung der Übungen und Bedeutung
Die Bewertung der sieben Tests erfolgt nach einem Drei-Punkte-System:
- Score 3: Die Testperson kann die Bewegung gleichmäßig und ohne Kompensation oder Ausweichbewegungen ausführen.
- Score 2: Die Testperson kann die Bewegung nur mit Kompensations- oder Ausweichbewegungen durchführen.
- Score 1: Die Testperson kann die Bewegung nicht oder nur unvollständig durchführen.
- Score 0: Die Testperson hat Schmerzen bei der Durchführung.
Maximal sind also 21 Punkte möglich. Studien haben gezeigt, dass das Verletzungsrisiko zwei- bis dreimal höher ist, wenn nur 14 Punkte oder weniger beim FMS erreicht werden. Ein erhöhtes Verletzungsrisiko liegt außerdem bei Asymmetrien, also Punktedifferenzen, zwischen linker und rechter Seite vor.[1]Bushman TT, Grier TL, Canham-Chervak M, Anderson MK, North WJ, Jones BH. The Functional Movement Screen and Injury Risk: Association and Predictive Value in Active Men. The American Journal of Sports … Continue reading Natürlich ist der FMS aber deshalb kein Tool, um eine Verletzung definitiv vorhersagen zu können.
Die 7 Bewegungsmuster beim Functional Movement Screen
Grundlage des Functional Movement Screen sind sieben vorgegebene Bewegungen aus dem Alltag, die eine dynamische Kontrolle des Körpergewichts gegen die Schwerkraft erfordern. Probleme bei der Ausführung können Bewegungsstörungen aufdecken, die zu Verletzungen und Schmerzen bei der Ausübung alltäglicher und sportlicher Aktivitäten führen können. Die Bewertungskriterien können teilweise voneinander abweichen, sind aber grundsätzlich vergleichbar.
1. Deep Squat
Fokus: Mobilität von Hüfte, Knie und Sprunggelenk sowie Schultergürtel und Brustwirbelsäule
Bei der tiefen Überkopfkniebeuge führt der Athlet eine tiefe Kniebeuge durch, während er eine Stange mit gestreckten Armen über den Kopf hält. Diese Übung ermöglicht es, mögliche Einschränkungen und Asymmetrien in der Hüft-, Knie- und Sprunggelenksbeweglichkeit zu erkennen.
Kriterien für einen Score 3:
- Fersen bleiben flach auf dem Boden, während Knie stabil und nicht nach innen oder außen einknicken
- Oberkörper ist parallel zum Schienbein und nicht nach vorne oder hinten geneigt
- Oberschenkel ist unterhalb der Horizontalen (d.h. nicht parallel zum Boden), der Stab befindet sich über den Füßen und wird mit gestreckten Armen gehalten
Kriterien für einen Score 2:
- Fersen sind nicht flach auf dem Boden oder es kommt zu einer Abweichung in den Knien, wenn die Fersen erhöht sind.
- Oberkörper ist nicht komplett parallel zum Schienbein, aber dennoch relativ aufrecht
- Stab befindet sich über dem Kopf in einer Linie mit dem Oberkörper
Kriterien für einen Score 1:
- Oberkörper und Schienbein sind nicht parallel zueinander
- Oberschenkel ist oberhalb der Horizontalen, die Testperson macht damit keine tiefe Kniebeuge
- Stab ist nicht über den Füßen, sondern weiter vorne
2. Hurdle Step
Fokus: Koordination, Mobilität und Stabilität von Hüfte, Knie und Sprunggelenk
Beim Hurdle Step muss ein Hindernis in Form einer Schnur oder Stange überquert werden, während der Körper in einer aufrechten und stabilen Position gehalten wird. Die Testperson stellt sich vor das Hindernis und platziert das Standbein etwa eine Fußlänge neben dem Hindernis. Das andere Bein wird angehoben, über das Hindernis geschwungen und tippt einmal auf der anderen Seite auf den Boden. Die Bewegung wird für beide Beine wiederholt. Wichtig ist: Der Fuß darf das Hindernis nicht berühren, ebenso sind Seitwärtsbewegungen zu vermeiden.
Kriterien für einen Score 3:
- Wenig bis keine Bewegungen im Bereich der Lendenwirbelsäule
- Sprunggelenk, Knie und Hüfte sind achsengerecht übereinander
- Stab und Hindernis liegen parallel zueinander
Kriterien für einen Score 2:
- Sprunggelenk, Knie und Hüfte befinden sich fast komplett übereinander
- Der Oberkörper ist nicht mehr komplett aufrecht, es kommt zu einer Kompensationsbewegung in der Wirbelsäule
- Stab und Hürde sind nicht mehr parallel zueinander
Kriterien für einen Score 1:
- Kontakt zwischen Fuß / Bein und der Hürde
- Gleichgewicht geht verloren
- Das Hindernis kann nicht überwunden werden
3. Inline Lunge
Fokus: Mobilität und Stabilität von Hüfte und Oberkörper sowie Beurteilung der Beinachse
Bei dieser Übung stellt sich die Testperson mit einem Bein vorne und dem anderen Bein hinten auf eine imaginäre Linie. Die Testperson senkt die Hüfte zum Boden, bis das vordere Knie einen Beugewinkel von 90 Grad erreicht. Während der Übung wird der Oberkörper aufrecht und stabil gehalten, und seitliche Bewegungen sollten vermieden werden. Nachdem die gewünschte Position erreicht ist, kehrt die Testperson zurück in die Ausgangsposition und wiederholt die Übung für beide Beine.
Kriterien für einen Score 3:
- Oberkörper bleibt aufrecht, Kontakt am Stab wird beibehalten
- Hinteres Knie lässt sich hinter der Ferse absetzen, vorderes Knie bleibt über den Zehen
- Gesäß ist unterhalb der vorderen Kniehöhe
Kriterien für einen Score 2:
- Kontakt mit dem Stab geht verloren, der Stab bleibt nicht vertikal
- Knie lässt sich nicht hinter der Ferse ablegen
- Oberkörper bleibt nicht stabil aufrecht, sondern neigt nach vorne
Kriterien für einen Score 1:
- Bewegung kann nicht ausgeführt werden
- Gleichgewicht geht verloren
- Deutliche Vorneigung des Oberkörpers bzw. des vorderen Knies
4. Shoulder Mobility
Fokus: Bewegungsradius der Schulter
Die Testperson steht aufrecht und „greift“ mit geschlossenen Händen nach einem an der Wirbelsäule befindlichen Maßstab. Dabei kommt eine Hand von oben, die andere Hand von unten zum Stab.
Kriterien für einen Score 3:
- Fäuste befinden sich innerhalb einer Handlänge Abstand zueinander
Kriterien für einen Score 2:
- Fäuste befinden sich innerhalb eines Abstands von 1,5 Handlängen zueinander
Kriterien für einen Score 1:
- Fäuste sind weiter als 1,5 Handlängen voneinander entfernt
5. Active Straight Leg Raise
Fokus: Aktive Dehnfähigkeit der hinteren Oberschenkelmuskulatur
Die Testperson befindet sich in Rückenlage und streckt beide Beine aus. Ein Bein wird nun senkrecht nach oben gestreckt, während die Fußspitze Richtung Knie zieht. Das Becken muss dabei stabil gehalten werden. Die Übung wird für beide Beine wiederholt, gemessen wird mithilfe eines Stabs.
Kriterien für einen Score 3:
- Stab befindet sich am mittleren Oberschenkel (abgelegtes Bein) und bildet eine Senkrechte zum Sprunggelenk (abgehobenes Bein)
Kriterien für einen Score 2:
- Stab befindet sich auf Kniehöhe (abgelegtes Bein) und bildet eine Senkrechte mit dem Sprunggelenk (abgehobenes Bein)
Kriterien für einen Score 1:
- Stab befindet sich unterhalb des Knies (abgelegtes Bein) und bildet eine Senkrechte mit dem Sprunggelenk (abgehobenes Bein)
6. Trunk Stability Push-up
Fokus: Rumpfstabilität
Die Testperson liegt auf dem Bauch und muss sich mit den Händen nach oben drücken wie bei einem Liegestütz. Die Beine bleiben dabei zusammen. Bei diesem Test wird zwischen einer Variante für Frauen und einer für Männer unterschieden.
Kriterien für einen Score 3:
- Männer: Hände schulterbreit auseinander und in Verlängerung zum Haaransatz
- Frauen: Hände schulterbreit auseinander und in Verlängerung zum Kinn
- Es muss eine Wiederholung ausgeführt werden können
Kriterien für einen Score 2:
- Männer: Hände schulterbreit auseinander und in Verlängerung zum Kinn
- Frauen: Hände schulterbreit auseinander und in Verlängerung zum Schlüsselbein
- Es muss eine Wiederholung ausgeführt werden können
Kriterien für einen Score 1:
- Männer: Keine Wiederholung, wenn die Hände schulterbreit in Verlängerung zum Kinn aufgesetzt werden
- Frauen: Keine Wiederholung, wenn die Hände schulterbreit n Verlängerung zum Schlüsselbein aufgesetzt werden
7. Rotatory Stability
Fokus: Stabilität der oberen und unteren Extremität
Das Ziel dieser Bewertung ist es, die Fähigkeit des Sportlers zur Stabilisierung von mehreren Bewegungen gemeinsam mit den oberen und unteren Extremitäten auf mehrere Dimensionen hin zu analysieren. So komplex diese Übung klingt, ist sie auch. Denn für sie muss der Sportler im Vierfüßlerstand (dazwischen liegt ein Brett) den Arm und das Bein einer Körperseite gleichzeitig anheben und ausstrecken, bis Rücken, Arm und Bein eine Gerade bilden. Anschließend werden Knie und Ellenbogen unter dem Körper wieder zusammengeführt. Auch diese Übung wird für beide Seiten wiederholt.
Kriterien für einen Score 3:
- Eine saubere unilaterale Wiederholung (z.B. rechter Arm und rechtes Bein) mit der Wirbelsäule parallel zum Brett
- Knie und Ellenbogen berühren sich über dem Brett
Kriterien für einen Score 2:
- Eine saubere diagonale Wiederholung (z.B. rechter Arm und linkes Bein) mit der Wirbelsäule parallel zum Brett
- Knie und Ellenbogen berühren sich über dem Brett
Kriterien für einen Score 1:
- Keine saubere diagnoale Ausführung möglich
Ergebnis da – und jetzt?
Mit den Ergebnissen aus dem FMS kannst du mögliche Schwachstellen identifizieren und mit korrigierenden Übungen gezielt an ihnen arbeiten.
Einige mögliche korrigierende Übungen findest du für jedes Bewegungsmuster und jeden Score nachfolgend zusammengefasst:
Deep Squat
- Score 3: Overhead Squats, Deadlifts
- Score 2: Deep Squat mit Fersenerhöhung, Squat mit einem Gewicht (z.B. Hantelscheibe) vor dem Oberkörper, Wall Sit Stretch
- Score 1: Stretching (Oberschenkel), Standing Chop, Deep Squat mit Unterstützung (z.B. am Seilzug)
Hurdle Step
- Score 3: Standing Cable Chop, Single Leg Deadlift, Leg Curls mit einem Bein
- Score 2: Bridging mit ausgestreckten Beinen (z.B. auf Pezzi Ball), Ausfallschritt, Einbeinstand
- Score 1: Blackroll / Stretching (Oberschenkel), Hamstring Curls
Inline Lunge
- Score 3: Resistance Lunge, Dynamische Drills, High Knee Chop
- Score 2: Stretching (Wade), Lunge Stride and Twist, Einbeinstand
- Score 1: Dehnung mit Thomas-Handgriff
Shoulder Mobility
- Score 3: Deadlift, Chop / Lift, Push-up Progression
- Score 2: Wall Sit mit Schulterpresse, Rotation des Oberkörpers in Seitlage, Rotationsübungen für den Oberkörper im Vierfüßler
- Score 1: Schulterrotation mit Theraband oder Seilzug, Traktion
Active Straight Leg Raise
- Score 3: Dip Bridge, Single Leg (SL) Deadlift
- Score 2: SL Lowering, SL Toe Touches
- Score 1: Straight Leg Raise, Leg Lowering Core Engagement
Trunk Stability Push Up
- Score 3: Push-up Progression
- Score 2: Push-up Walkouts, Push-up mit Leg Lift
- Score 1: Incline Push-up, Push-up mit abgelegten Knien
Rotatory Stability
- Score 3: SL Deadlift
- Score 2: Diagonale Streckung von Arm und/oder Bein im Vierfüßler, Hüftmobilisation im Vierfüßler
- Score 1: Blackroll, Hüftmobilisation im Vierfüßler
Gerade nach einer Verletzung sind Defizite in bestimmten Bereichen und bei ausgewählten Bewegungen normal. Der FMS zeigt dir, wo diese liegen. Nach einem Kreuzbandriss ist häufig die Beweglichkeit der unteren Extremität und die Rumpfstabilität eingeschränkt. Um das Risiko einer Re-Ruptur zu minimieren, solltest du diese Schwachstellen also gezielt trainieren.
Erst wenn du die Grundbewegungen aus dem Functional Movement Screen fehler- und schmerzfrei beherrschst, solltest du dein Training weiterführen und dich mit einer Rückkehr zum Sport beschäftigen. Sportartspezifische Bewegungen, wie beispielsweise Passübungen beim Fußball, kannst du dennoch schon vorher in dein Training einbauen. Aber natürlich erst, sobald deine Kreuzband-Reha weit genug fortgeschritten ist.
Wieder fit nach Kreuzbandriss
Hol dir deinen Guide für die Kreuzband-Reha mit Plan
Quellen und weiterführende Links[+]
↑1 | Bushman TT, Grier TL, Canham-Chervak M, Anderson MK, North WJ, Jones BH. The Functional Movement Screen and Injury Risk: Association and Predictive Value in Active Men. The American Journal of Sports Medicine. 2016;44(2):297-304. doi:10.1177/0363546515614815 |
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